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Die Hexe soll brennen

Die Hexe soll brennen

Titel: Die Hexe soll brennen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckl
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notdürftig wieder beruhigt. Jetzt schliefen sie mit geröteten Augen und Rotzbahnen unter den Nasenlöchern. Balthasar hatte unbewußt noch immer die Fäuste geballt.
    Der Pfarrer selbst hockte bis nach Mitternacht in seiner Stube. Die Tür hatte er offen gelassen, so hatte er die Kinder stets im Auge. Vor ihm stand ein Becher Wein, den er jedoch seit Stunden nicht angerührt hatte. Morgen würde er sich um die Brut draußen kümmern müssen. Er würde zu den Bauern gehen und versuchen, die Kinder einzeln dort unterzubringen. Es würde Bettelei kosten und viel Überredung. Wer würde sich schon einen Hexenbalg ins Nest setzen wollen?
    Auch die Augen des Pfarrers brannten – wie die der Kleinen dort draußen. »Eure Eltern und die Kathrin haben bloß ein wenig Schabernack getrieben«, murmelte er lange nach Mitternacht. »Und jetzt seid ihr alle zusammen Hexen!«
    Er gewahrte den Wein, packte den Becher wie ein Süchtiger und schüttete ihn auf einen Zug hinunter. Beinahe hätte er sich übergeben müssen. Aber dann schenkte ihm der Alkohol die Gnade der Betäubung, des Vergessenkönnens.
    ***
    In jener Nacht lagen vier Menschen auf dem stinkenden Stroh der Hexenkaue zu Pfatter: zwei Erwachsene, eine Halbwüchsige, ein Kind. Katharina war nach der einmonatigen Kerkerhaft so stumpf geworden, daß sie ihre Eltern und Christine kaum erkannt hatte, als man sie in der Abenddämmerung hereingestoßen und neben ihr angekettet hatte. Erst das Tasten der Mutter, ihre wilden Heulkrämpfe, hatten sie aus ihrer Lethargie gerissen. Und im Lauf der Nacht hatte sie dann begriffen, daß man sie alle zusammen nach Straubing in die Fronfeste schleppen würde: zum Prozeß! Zur Aburteilung! Zum Tod!
    Aber es war seltsam! Während die Alten sich kaum zu fassen wußten, die ganze Nacht jammerten und greinten, während Christine Weinzierl immer wieder den Kopf gegen die jauchegetränkte Mauer stieß, blieb Katharina selbst ruhig. Denn sie war bereits viel näher am Unaussprechlichen als die anderen. Sie war bereits gebrochen und konnte sich nicht einmal mehr Vorwürfe machen, weil sie die Eltern, weil sie Christine in die Fänge der Hexenjäger gegeben hatte, damals, als sie sich vor dem brünstigen Hanndloß hatte schützen müssen.
    Katharina wiegte sich nur und betete lautlos ihre alte, verballhornte Litanei hinauf und hinunter.
    ***
    In jener Nacht mußten Anne und Kaspar Michel anhören, wie die Trabanten in der Wachstube grölten, sie mußten zusehen, wie der Regimentsrat und der Kommissar sich betranken. Scherer und Edlmar saßen nicht stundenlang, wie der Pfarrer von Geisling, vor einem vollen Becher. Sie stürzten einen um den anderen hinunter, und es war der schwerste Wein aus dem Keller des Pflegers.
    Scherer und Edlmar waren Edelleute, aber sie benahmen sich wie die übelste Soldateska, soffen, fraßen und brüsteten sich lauthals der Taten dieses Tages. Noch einmal jagten sie in ihrer Trunkenheit den alten Weinzierl in den Stall, verbrannten noch einmal die Kate in Geisling, schwadronierten, wie sie drei Hexen an ihren satanischen Hälsen hinter sich hatten herschleppen lassen.
    »Und bald, das schwöre ich, werden wir uns noch mehr von dieser Brut nach Straubing holen!« schrie der von Scherer auf dem Gipfel seiner Trunkenheit.
    Anne, die den ganzen Abend mit unter dem Tisch geballten Fäusten dagesessen hatte, konnte sich zuletzt nicht mehr zurückhalten. »Unschuldige habt Ihr uns in die Kaue geschleppt!« herrschte sie die beiden Menschenjäger an. »Die Christine Weinzierl hat gar nichts verbrochen, und die Grueberschen haben im letzten Winter zwar ein paar Geislinger betrogen, haben aber längst dafür gebüßt. Hier im Schloß sind sie deswegen gepeitscht worden und haben am Pranger stehen müssen. Warum verfolgt Ihr sie denn jetzt noch?«
    »Das weißt du doch, Anne«, erwiderte matt ihr Gatte. Doch sie funkelte ihn an und er verstummte.
    »Wenn die Bauern betrogen worden sind, dann hat man sie verhext«, schrie Scherer. »Anders wär's gar nicht möglich gewesen, daß sie den Satansbuhlen auf den Leim gegangen waren.«
    »Und was sie sonst noch getrieben haben, das darf die Pflegerin gar nicht wissen«, mischte sich Edlmar ein. »Das Weibchen ist zu zart gebaut dazu. Aber wir wissen's, gell, Scherer!«
    »Wir wissen's und haben heut gut katholisch auf die Sauteufel losgedroschen«, brüllte der Rechtsrat. »Hokuspokus oder Hexerei, das ist alles eins. Was ist, Edlmar, wollen wir sie noch einmal hauen? Daß der

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