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Die Hexe und der Herzog

Die Hexe und der Herzog

Titel: Die Hexe und der Herzog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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hellen Tag und dem trüben Dämmerlicht des Lochs, in dem sie Hella in einer feuchten Zelle angekettet hielten, zwang ihn dazu. Sein Kopf schwirrte noch von dem, was er soeben gehört hatte. Wie erhofft hatte das herzogliche Siegel ihm tatsächlich Eintritt verschafft, was allerdings keine einfache Angelegenheit war, denn der oberste Büttel hatte es lange bedenklich in seinen schmutzigen Pratzen gedreht und gewendet und hätte wohl noch tausenderlei Einwände vorgebracht, hätten die blanken Sechser, die Merwais ihm schließlich in die Hand drückte, nicht doch sein Einverständnis erreicht.
    »Ihr wart bei ihr?« Im ersten Moment erkannte der Jurist den Mann gar nicht, der ihn schüchtern von der Seite ansprach, so bleich, ja beinahe verfallen sah er aus. »Wie geht es meiner Hella? Sie haben ihr doch noch kein Leid zugefügt?«
    »Scheuber!«, rief Johannes Merwais erstaunt, als ihm bewusst wurde, mit wem er da sprach. »Ja, ich komme gerade von ihr. Eure Frau ist erstaunlich gefasst und in halbwegs guter Verfassung.« Die Eisenkugel an ihrem Fuß und die Krätze, über die sie geklagt hatte, behielt er vorerst lieber für sich. »Ich hab ihr etwas zu essen gebracht. Von Lena.«
    »So seid Ihr nicht einer ihrer Liebhaber? Oder habt Ihr meiner Hella auch beigelegen?«
    »Was redet Ihr da! Ich kenne Eure Frau doch kaum.« Merwais packte den Münzschreiber am Ärmel und zog ihn ein Stück weiter zu einem abgelegenen Winkel, wo niemand ihnen zuhören konnte. »Einzig und allein Lena Schätzlin zuliebe war ich bei ihr. Weil Lena mir sehr viel bedeutet und sie mich so inständig darum gebeten hat.«
    »Lena?«, wiederholte Andres Scheuber nachdenklich, als sei der Name neu für ihn. »Lena Schätzlin? Ja, ich kenne sie.«
    »Und hütet Euch besser künftig vor dererlei Äußerungen!«, warnte Merwais. »Sollten sie den Falschen zu Ohren kommen, so könnten sie sofort gegen Euer Weib verwendet werden. Oder wollt Ihr es sein, der ihr Los noch schwerer macht?«
    »Hella kann es nicht getan haben! Ich weiß es!«
    »Und doch steht sie unter dem Verdacht, Ritter von Spiess heimtückisch getötet zu haben. Mir aber hat sie versichert, dass sie unschuldig an seinem Tod ist – und ich glaube ihr. Der Hofmeister ist gestorben, nachdem er eine Medizin geschluckt hat, die er bereits mehrfach in ihrem Beisein eingenommen hatte. Danach fiel er plötzlich wie ein gefällter Baum zu Boden und hat nicht mehr geatmet. Natürlich hätte sie jemanden rufen müssen, der dies bezeugt hätte, aber sie war außer sich vor Angst. In diesem Zustand verfiel sie bedauerlicherweise auf die Idee, die Leiche zu beseitigen. Das allerdings vermochte sie nicht allein.«
    Johannes hielt inne. Was tat er da? Verriet, was Hella ihm soeben anvertraut hatte, diesem Ehemann, dem die blanke Eifersucht ins Gesicht geschrieben stand! Doch es ging um Leben und Tod, da galten andere Regeln. Außerdem gab es da noch etwas in Hellas Ausführungen, das ihn noch beim Hinausgehen beschäftigt hatte, ein entscheidendes Detail, das ihm durch die unerwartete Begegnung mit Scheuber allerdings entfallen war.
    »Ich hätte da sein müssen, bei ihr«, flüsterte Scheuber. »Immer. Ich hätte Hella niemals allein lassen dürfen. Dann wäre das alles nicht geschehen.«
    Merwais nickte. »Damit habt Ihr sicherlich recht. Denn jetzt befindet sich Eure Frau in einer äußerst prekären Lage. Ihren Häschern verraten, wer ihr beigestanden hat, kann und will sie nicht, was für sie und ihr Ehrgefühl spricht. Von außen gesehen aber und mit Böswilligkeit betrachtet, könnte man das möglicherweise auch so auslegen, dass sie über übernatürliche Kräfte verfügt. Ihr wisst, welche Folgen so etwas haben kann – besonders jetzt, da der Inquisitor es sich zum Ziel gesetzt hat, Zauberei und Hexenkünste in ganz Innsbruck lückenlos aufzudecken und alle Schuldigen ins Feuer zu schicken.«
    »Ach was, Zauberkunst und Hexerei! Ihr haben sicherlich die Frauen geholfen«, rief Andres zu des Juristen Überraschung. »Die, mit denen sie immer zu den Bethen geht. So war es ganz gewiss.«
    »Woher wisst Ihr …«
    »Weil ich als kleiner Junge mit meiner Mutter mehrmals in der alten Kapelle war. Viele Frauen bringen ihre Kinder dorthin, um sie segnen zu lassen und damit vor Krankheit und Unheil zu schützen. Wer aber schützt meine Hella jetzt, wo sie dem Richter und seinen grausamen Bütteln ausgeliefert ist? Und wenn ich sie für alle Zeiten verloren habe? Dann will auch ich nicht weiter

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