Die Hexe und der Herzog
ausdrückt! Beinahe, als habe ihm der Hexenjäger höchstpersönlich die Feder geführt.«
Sein Mund wurde bitter.
»Ein schlauer Fuchs, dieser Dominikaner! Denn natürlich weiß er genau, dass ich mich als Bischof ebenfalls an diese Bulle halten muss. Also kann er auch von mir Hilfe und Unterstützung einfordern, selbst wenn ich ganz und gar nicht mit seinen kruden Theorien und Phantasmen übereinstimme.«
»Ihr glaubt nicht an die Existenz von Hexen?«, fragte Kugler.
»Ich glaube, dass es Ketzer gibt, die von der Lehre der heiligen Kirche abfallen und ihr damit großen Schaden zufügen, ja, davon bin ich in der Tat überzeugt! Ob sich jedoch solch Abtrünnige ausgerechnet unter den frommen Männern und Frauen Tirols finden lassen, bezweifle ich stark. Die Kirche schwächt sich nur selbst, wenn sie derartige Hirngespinste verfolgt, anstatt sich um ihre wirklichen Widersacher zu kümmern.«
»Was also werdet Ihr jetzt tun, Exzellenz?«
»Lass die Kisten packen und die Pferde anspannen – wir fahren nach Innsbruck, Rasso!« Der Bischof machte tatsächlich Anstalten, sein Bett zu verlassen.
»Das werdet Ihr schön bleiben lassen!« Der junge Mann mit den klugen braunen Augen drückte ihn sanft, aber nachdrücklich zurück in die Kissen. »Habt Ihr schon vergessen, was der Medicus erst gestern zu Euch gesagt hat?«
»Natürlich nicht, aber ich bin allem so überdrüssig.« Für einen Augenblick kehrten Leben und Farbe in Golsers Gesicht zurück. »Aderlässe, die das letzte bisschen Blut aus mir herausgeholt haben. Bitterer Kräutersud, der mich erbrechen ließ. Himmelschlüsselwein, so unerträglich süß, dass ich die Englein singen höre. Und was hat das alles gebracht? Mein Fuß schmerzt ärger denn je, und nicht einmal meine Nieren hat die hinterlistige Podagra dieses Mal verschont.«
»Jede übertriebene Anstrengung könnte einen neuerlichen Anfall auslösen«, sagte Kugler. »Wenn Ihr noch länger leben wollt, solltet Ihr das sehr wohl bedenken. Und wir brauchen Euch doch so dringend, Exzellenz – sowohl für Brixen als auch für ganz Tirol.«
»Gott allein kennt unsere Stunde. Außerdem ist jeder ersetzbar. Das, mein junger Freund, sollten wir bei aller Betriebsamkeit niemals vergessen. Ich bin Nikolaus Cusanus nachgefolgt, den manche für ein Genie, andere wieder für einen Heiligen halten, und versehe das Amt nun so gut, wie ich es vermag. Genauso wird es über kurz oder lang auch für mich einen tüchtigen Nachfolger geben. Wir fahren!«
»Wäre es trotzdem nicht sinnvoller, dem Herzog zuvor ein entsprechendes Schreiben zu senden?« Der Notarius blieb beharrlich. »Noch ist ja ein Prozess nicht angesetzt, sondern es werden zunächst die Verhöre geführt, und das kann dauern, wie die Erfahrung gezeigt hat. Danach ist noch immer Zeit genug, um die beschwerliche Reise über den Brenner anzutreten, hoffentlich bereits in sehr viel besserer Verfassung. Außerdem reist es sich leichter, sobald die Sommerhitze verflogen ist.«
Golser nahm einen Schluck von dem erkalteten Gierschtee und schüttelte sich voller Abscheu.
»Wenn ich nur nicht so ein Feigling wäre!«, sagte er. »Aber vor dem Gift der Herbstzeitlosen, das als einzige Medizin eine gewisse Wirkung gegen Gicht haben soll, schrecke ich noch immer zurück. Du meinst also, wir sollten schreiben?«
Rasso Kugler nickte lächelnd.
»Und meinst weiterhin, du hättest mich mit deinen schlauen Argumenten bereits zum Bleiben überredet?«
Das Lächeln wurde breiter.
»Warum entsendet Ihr vorab nicht Euren Generalvikar Christian Turner als Beobachter nach Innsbruck? Turner ist ein erfahrener und besonnener Theologe, der ganz Eure Linie vertritt. Vielleicht kann der das Schlimmste verhindern.«
»Ein ausgezeichneter Rat, Rasso! Wie glücklich darf ich mich schätzen, dass ein so kluger Mann wie du seit Jahren in meinen Diensten steht.«
»Das Kompliment gebe ich mit dem allergrößten Vergnügen an Euch zurück. Ich bin nichts anderes als Euer gelehriger Schüler, Exzellenz.« Der Notarius zückte erwartungsvoll die Feder.
»Drei Briefe.« Der Bischof lehnte sich seufzend in die Kissen zurück. » Primo an die Herzogin, secundo an den Herzog und den letzten an den Inquisitor höchstpersönlich.«
Wildes Geschrei vor der Tür riss Kramer aus seinen Gedanken. Er war gerade dabei gewesen, all seine Aufzeichnungen noch einmal durchzugehen, um die Anklagen zu komplettieren. Ein heikles Unterfangen, da es dabei genau abzuwägen galt, wie viel
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