Die Hexe und der Herzog
erstaunt, wie fest ihre Stimme klang. »Als ich die Süßspeisen aus der Küche in das Frauenzimmer gebracht habe, waren sie frisch und unversehrt.« Ihr bittender Blick glitt zu van Halen. »Der Medicus ist mein Zeuge. Er hat von beiden probiert.«
»Das ist richtig, Euer Hoheit«, bekräftigte van Halen. »Wären sie vergiftet gewesen, ich stünde jetzt nicht vor Euch. Was ich gegessen habe, ist mir bestens bekommen. Außerdem kenne ich Lena, sie würde niemals …«
»Dann muss sie das Gift eben zu einem späteren Zeitpunkt untergemengt haben.« Die Stimme des Herzogs war leise und kalt. »Im Treppenhaus. In einem der Vorräume. Irgendwo. Sonst würde ja das Hündchen, dem wir unser Leben zu verdanken haben, noch immer munter herumspringen. Trägst du es gar noch bei dir? Oder hast du es irgendwo versteckt? Rede!«
»Wie könnt Ihr das nur denken?«, rief Lena. »Weder das eine noch das andere. Ich hatte niemals irgendein Gift!«
Sigmund runzelte die Stirn.
»Hast du das Ganze vielleicht gar von Anfang an geplant? Als du dich vor meinen Schlitten fallen ließest und dir damit Zugang zum Hof verschafft hast? Dich als unschuldige kleine Närrin aufzuspielen, die uns alle gerührt hat – gehörte das alles bereits zu deinem teuflischen Vorhaben?«
»Nein, natürlich nicht! Ich wollte doch nur …«
Um ein Haar hätte sie auch noch von Els erzählt. Die hatte sie stets vor dem Herzog, seinen Launen und dem Hofleben gewarnt. Wenn sie doch nur auf sie gehört hätte!
»Du schweigst?«, sagte der Herzog. »Hat es dir jetzt endlich die Sprache verschlagen? Zu Recht! Denn ein feiger Mordanschlag auf seinen Fürsten und seine Fürstin- das ist das schrecklichste Verbrechen, das sich nur denken lässt.«
»Aber ich war es nicht!«, rief Lena, inzwischen so außer sich, dass sie mühsam um jedes Wort ringen musste. »Bitte glaubt mir, ich flehe Euch an! Niemals würde ich Euch oder Eurer Gemahlin schaden wollen, auch keinem anderen Menschen. Ich bin eine Köchin- und keine Mörderin!«
Vergeblich suchte sie den Blick der Herzogin, die schnell wegschaute. Wahrscheinlich war genau deshalb auch Niklas nicht mehr da; weil er mit einem Mädchen, das unter solch schrecklichem Verdacht stand, am liebsten niemals etwas zu tun gehabt hätte.
»Euer Hoheit«, stammelte sie weiter, voller Verzweiflung, »ich bin es doch, Lena, Euch stets und immer zugetan in Verehrung und immerwährender Treue. Ihr müsst doch besser wissen als jeder hier, dass ich niemals …« Wildes Schluchzen übermannte sie.
»Das hab ich von der anderen lange Zeit auch gedacht«, sagte Katharina mit belegter Stimme und rutschte dabei unbehaglich auf ihrem Sessel hin und her. »Von deiner Freundin, diesem schönen blonden Geschöpf, das mir so hell erschien, so fröhlich, so rein. Und trotzdem war offenbar sie es, die unseren armen Hofmeister …« Sie drückte sich ein Tuch auf die Augen. »Und jetzt auch noch meine Fee, meine liebe kleine Fee!«
»Sie hat meine Gemahlin zum Weinen gebracht«, rief der Herzog. »Das muss sofort ein Ende haben! Und wer weiß – vielleicht steckt sie mit dieser Scheuberin ja sogar unter einer Decke.«
Auf seine herrische Geste hin setzten sich die beiden Jäger, die bislang schweigend die Tür verstellt hatten, in Bewegung. Während sie näher kamen, weiteten sich Lenas Augen vor Schreck.
»Greift sie! Bindet sie! Im Loch wird sie ausreichend Gelegenheit haben, über ihre Tat nachzudenken. Wir wollen ein Geständnis hören – und wenn wir dazu etwas nachhelfen müssen.«
Sie hatten Lena schon fast nach draußen geschleift, als ihm noch etwas einzufallen schien.
»Ach ja, und sperrt sie gefälligst in eine separate Zelle, keinesfalls zusammen mit der Scheuberin! Nicht, dass die beiden Unschuldslämmchen noch gemeinsam weitere hässliche Pläne schmieden!«
Die lähmende Schwüle hatte Kramer eine Weile über seinen Aufzeichnungen einnicken lassen, als ein ungewohntes Geräusch ihn plötzlich aus dem Schlaf riss. Er hatte geträumt, erneut und in aller Ausführlichkeit von jenen klebrigen, fleischlichen Exzessen, die er am liebsten bis zum Ende aller Tage aus seinem Dasein verbannt hätte, die ihn aber dennoch ständig malträtierten. Als die große dürre Frau, die plötzlich in seiner Dachstube stand, nun ihren Schleier zurückschlug und ihn fordernd ansah, war es ihm, als dauere der Albtraum noch immer an.
»Ich musste Euch sprechen, Pater«, sagte Alma von Spiess. »Ich habe Euch Wichtiges zu
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