Die Hexe und der Herzog
aufschrie.
»Lüg mich nicht an!«, flüsterte er. »Sonst wirst du es bereuen.«
»Aber ich war da. Frag doch die anderen! Die werden es bestätigen. Lass mich sofort los, du tust mir weh!« Sie wand sich und versuchte, nach ihm zu treten. »Was ist nur auf einmal in dich gefahren?«
»Sag die Wahrheit, Hella!«
»Das ist die Wahrheit.« In ihren hellen Augen schimmerten Tränen. »Es gibt nur diese.«
Andres ließ sie so abrupt los, dass sie taumelte.
»Und das?« Er schleuderte ihr das seidene Hemd entgegen. »Welche Wahrheit ist das? Und die Schlitze, die du dir heimlich ins Kleid schneidest, als wärst du eine Hur und nicht die ehrbare Frau des Münzschreibers? Wie viele Wahrheiten hast du zu bieten, Weib?«
Hella rang nach Luft. Wie hatte er nur die Sachen finden können, die sie so gründlich unter altem Zeug in der Truhe vergraben hatte? Sie musste ihm irgendetwas bieten, um seinen Zorn zu mildern, aber was konnte sie zugeben?
»Lena ist schuld.« Die Lüge kam so einfach und leicht über ihre Lippen, dass es sich beinahe wahr anfühlte. »Du weißt doch, dass sie seit einiger Zeit in der Hofküche arbeitet. Bei der herzoglichen Hochzeit hatten sie dort zu wenige Leute zum Auftragen. Da hat sie mich gefragt, ob ich nicht aushelfen könnte. Und die Idee mit den Schlitzen stammt von ihr.« Mit etwas Mühe brachte sie ein halbes Lächeln zustande. »Das ist auch schon alles.«
»Und der Hofmeister?« Andres’ Blick hielt sie wie in einer Zwinge fest.
Wie kam er auf Leopold? Hatte jemand sie verraten? Sie waren doch so vorsichtig gewesen!
Hella wog jedes einzelne Wort sorgfältig ab: »Den Hofmeister hab ich doch nur von Weitem gesehen. Glaubst du vielleicht, wir hätten während der Arbeit Zeit gehabt, Maulaffen feilzuhalten? Gesprungen sind wir wie die Rehe, so viel war zu tun. Aber immerhin gab es gutes Silber als Entlohnung. Und das hab ich damit gekauft.« Sie deutete auf das Hemd zu ihren Füßen.
Andres schien sich etwas zu entspannen. Sie erkannte es daran, dass die Falte zwischen seinen Brauen nicht mehr ganz so tief war.
»So kann es jedenfalls nicht bleiben«, sagte er, während er sich schwer auf einen Stuhl fallen ließ. »Ein Weib gehört zu seinem Mann, so war es schon immer, und nicht anders gehört es sich auch. Du wirst deine Sachen hier zusammenpacken und mich nach Hall begleiten. Dann kann ich endlich wieder Ruhe finden.«
Bevor er sich versah, saß Hella wie ein kleines Mädchen auf seinem Schoß. Sie liebkoste seine Wangen und streichelte zärtlich sein Gesicht, in das langsam wieder etwas Farbe zurückkehrte. Ein warmer, sinnlicher Duft ging von ihr aus, in den sich etwas leicht Bitteres mischte, was ihn nur noch mehr erregte. Ihre Brüste streiften ihn, und es war wie jedes Mal: Ein heißer Strom floss durch seinen Körper und ließ ihn halb wahnsinnig werden, kaum dass er sie berührt hatte. Andres packte ihre Hand und führte sie an seinen prallen Hosenlatz. Als Hella genüsslich auflachte und fester zugriff, stöhnte er vor Verlangen.
»Wir beide können es so schön haben«, flüsterte sie, während seine Lippen an ihrem Schlüsselbein abwärts glitten, bis sein Mund die Wölbung des Brustansatzes erreicht hatte. »Wie im Paradies. Aber du darfst mich nicht einsperren. Ich bin wie einer dieser bunten Vögel, die sich das Gefieder ausrupfen, sobald sie einsam in einem Käfig sitzen müssen. Möchtest du solch ein trauriges, kahles Vögelchen an deiner Seite, das neben seiner Anmut auch noch sein fröhliches Trällern verloren hat? Lass mich leben, Andres, und so bleiben, wie ich nun einmal bin. Lass mich hier sein, bei meinen Freundinnen, und dich jedes Mal voller Vorfreude erwarten – und du hast die beste und willigste Ehefrau von ganz Tirol!«
Wider Willen musste Andres lachen. Was war sie bloß für ein schamloses Weibsbild, seine Hella, das genau wusste, wie er herumzubekommen war! Für einen Augenblick stand das Bild der griesgrämigen Hofmeisterin wieder vor ihm, die ihm mit ihren seltsamen Andeutungen derart zugesetzt hatte, dass er vor Eifersucht schier den Verstand verlor. Seltsamerweise wusste er plötzlich nicht mehr, was die Spiessin genau gesagt hatte. War das überhaupt noch wichtig?
Hellas Hände waren so zärtlich, so wissend. Heiße Küsse folgten ihren Berührungen, die ihn bald alles vergessen machten im Taumel einer Liebesnacht, die niemals geendet hätte, wenn es nach ihm gegangen wäre.
Dass ausgerechnet Niklas als Bote ausgesucht worden
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