Die Hexe und der Herzog
zusammenarbeite.«
»Vily?«, wiederholte der kleine Herzogin amüsiert. »Was für lustige Namen ihr hier in Tirol doch habt! Also gut, meinetwegen, wenn dir so viel daran liegt.«
»Ihr seid zu gütig!«, sagte Lena. »Wir werden Euch die feinsten Gerichte …«
»Hört Ihr denn nichts?« Die Hofmeisterin fiel Lena ins Wort. »Dieses hohle Jammern und Jaulen? Schauer jagt es mir über den Rücken!«
Alle lauschten, doch nun war es still.
»Eure Einbildung ist offenbar äußerst lebhaft«, sagte die Herzogin spitz. »Vielleicht habt Ihr ja den Wind gehört, der im Kamin singt.«
Das Heulen kehrte wieder, länger, lauter.
Katharina zuckte zusammen. Jetzt gab es niemanden mehr im Raum, der es nicht vernommen hätte.
»Was mag das sein?« Die kleine Herzogin sah plötzlich furchtsam drein. »Ein Tier, das keinen Ausweg findet?«
»Das ist kein Tier«, sagte die Spiessin dumpf. »Das ist etwas ganz anderes.«
Auch Lena zog die Schultern hoch, weil ihr ängstlich zumute wurde.
Als hätten sie nur auf den Einwand der Hofmeisterin gewartet, erschollen aufs Neue jene hässlichen, furchterregenden Töne.
Katharina klammerte sich an die Lehne. »Es soll aufhören«, rief sie. »Ich will, dass es sofort aufhört!«
Hohl und tönern setzte das Geheul wieder ein.
Jetzt begann die kleine Herzogin vor Angst laut zu schreien: »Meinen Gemahl! Jemand muss sofort den Herzog holen – lauf, Lena, lauf!«
Lena schoss zur Tür, bevor ihr einfiel, dass sie ja gar nicht wusste, wo der Herzog zu finden war. Auf der Schwelle stieß sie mit Niklas zusammen, dem ein paar Singbuben folgten.
»Der Herzog!«, rief sie. »Schnell – es spukt!«
Niklas machte auf dem Absatz kehrt und wollte wieder die Treppe hinunter, als ihm schon Herzog Sigmund entgegenkam, gefolgt vom Hofmeister.
»Beeilt Euch... Eure Gemahlin... Da drin geht etwas Furchtbares vor sich!«, schrie Niklas.
Kreidebleich betrat Sigmund das Gemach, und jetzt steigerten sich die hohlen Töne zu einem gruseligen, langen Stöhnen, das durch Mark und Bein drang und nicht mehr enden wollte.
»Was ist das?«
»Es hat vorhin begonnen und will nicht mehr aufhören …« Katharina liefen Tränen über die Wangen.
Das Heulen hielt an.
Sigmund schien zu schwanken. »Gespenster«, flüsterte er. »Der Geist des Bösen in meiner Hofburg! Eine Strafe für meine Sünden? Wie sollen wir diese Unholde nur wieder loswerden?«
Ratlos schauten sich alle an. Nur die Hofmeisterin schien sich schließlich ein Herz zu fassen.
»Die Lösung liegt näher, als Ihr vielleicht denkt«, sagte sie. »Zurzeit weilt ein gewisser Pater Institoris in Innsbruck, wie ich ganz zufällig erfahren habe. Wenn überhaupt einer diese schwierige Aufgabe bewerkstelligen kann, dann er.«
»Der Hexenjäger!« Der Herzog schien auf einmal grünlich zu werden. »Bischof Golser hatte mich bereits auf ihn aufmerksam gemacht. Eigentlich wollten wir ja gemeinsam …« Er schüttelte den Kopf. »Aber jetzt ist der Bischof bereits wieder nach Brixen abgereist.«
Er horchte, doch es war totenstill, was beinahe noch unheimlicher war als all das Jaulen und Klagen von vorher.
»Schickt nach dem Pater, Sigmund! Bitte tut, was sie gesagt hat!«, flehte die kleine Herzogin. »Holt diesen Mann – um meinetwillen!«
»Das werden wir! Auch ohne Vermittlung des Bischofs werden wir uns an ihn wenden. Er soll im ›Goldenen Engel‹ logieren.« Er straffte sich, ließ einen der Kammerdiener holen. »Zum ›Goldenen Engel‹!«, sagte er. »Schnell! Pater Institoris soll uns in der Hofburg aufsuchen. Rühr dich nicht von dort weg, ehe du ihn persönlich gesprochen hast!«
Der Schädel frisch rasiert, Kutte, Skapulier und Zingulum in blendendem Weiß. Kramer schritt so machtvoll und entschlossen aus, dass die Menschen stehen blieben und ihm nachstarrten. Später würde es heißen, er sei ihnen an jenem Tag, der alles ändern sollte, wie ein Ritter in silberner Rüstung erschienen, der dem Bösen den Kampf angesagt hat.
Seine Hände waren ruhig. Genauso musste es sein. Nun gab es keine Schranken und Hemmnisse mehr, die ihn vom Aufspüren der Wahrheit abhielten.
»Der Herzog erwartet mich.« Auch die Stimme war fest. Kramer genoss, wie ängstlich der Diener zu ihm aufschaute, der ihn in die Gemächer des Herrschenden brachte.
Ein Saal, mit bunten Malereien geschmückt, für die er nur einen verächtlichen Blick hatte. Nichts als weltlicher Tand, der zu Staub zerfallen würde, sobald das Reich Gottes
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