Die Hexe und der Herzog
ohne Sonne‹, so sagt man in meiner Heimat. Die Zeit, sich an den Herbst zu gewöhnen, kommt früh genug.«
»Was ist mit dem Stillmittel?«, fragte Els. »Auch schon fertig?«
»Sieht ganz so aus.« Bibiana lächelte. »Fenchel und Kreuzblume, Bockshornklee und Küchenschelle, behutsam in Wein gesotten. Ja, ich glaube, du kannst mit dem Abfüllen anfangen.«
Sie säuberte ihre Hände mit einem Tuch.
»Wo steckt eigentlich Wilbeth?«, wollte sie wissen. »Die hatte mir doch versprochen, ihre spezielle Wehenmischung vorbeizubringen. Es gibt da gewisse Kundinnen im Süden, die nicht mehr darauf verzichten wollen.«
»Alles schon da«, sagte Rosin. »Ich bin in die Bresche gesprungen und hab es an ihrer Stelle gebracht, denn bei Wilbeth hat sich heute mal wieder hohe Kundschaft angesagt. Ihr wisst schon, die füllt ihr die Schatulle sicherer als all unsere Kräuter zusammen.«
»Sie sollte trotzdem vorsichtig sein.« Els packte die nächsten Körbe. »Ich traue keinem dieser Höflinge.«
»Alles in den Stall, Els?«, fragte Barbara.
»Wie immer. Die Männer zum Aufladen müssen gleich da sein. Morgen in aller Herrgottsfrühe geht die Fuhre los in Richtung Brenner. Sobald sie mit ihren Stoffen und Gewürzen wieder zurück sind, werden wir die schönen Silberstücke untereinander aufteilen.«
»Und wenn uns eines Tages jemand hinhängt?«, fragte Rosin plötzlich.
»Wer sollte das schon sein?« Hella war lachend in die Küche zurückgekommen. »Wo wir doch den Frauen nah und fern nur Gutes tun?«
»Gerade deshalb! Es gibt so viele schlechte, neidische Menschen.«
Els wurde unruhig. Natürlich hatte sie den Freundinnen von Purgls Auftritt erzählt, und gemeinschaftlich hatten sie sich über die Tatkraft gefreut, mit der sie die Missgünstige in ihre Schranken gewiesen hatte. Die seltsame Reaktion Kramers freilich hatte sie für sich behalten genauso wie ihren Beinaheversprecher mit den drei Ewigen.
»Höchste Zeit, dass wir wieder gemeinsam die Bethen feiern«, sagte Barbara plötzlich. »Ich kann es kaum erwarten, bis es endlich Tag- und Nachtgleiche sein wird und unser Freudenfeuer die Dunkelheit erhellt.«
»Ich bin dabei.« Bibianas Augen leuchteten. »Nach diesen Nächten fühle ich mich stets so jung wie vor vielen Jahren.«
»Aber wir sollten vorsichtig sein«, sagte Els. »Noch vorsichtiger als bisher.«
»Heißt das, dass du Lena noch immer nicht eingeweiht hast?«, fragte Barbara. »Willst du damit warten, bis sie einen Stall voller Kinder hat?«
»Bis jetzt hat sie vor allem einen trotzigen Kopf. Und solange sich das nicht geändert hat, erfährt sie von mir kein Wort.«
»Lena ist noch immer in der Hofburg?« Rosins Stimme war voller Mitgefühl.
»Zum Arbeiten – ja. Übernachten tut sie glücklicherweise jetzt wieder hier. Glaub aber nicht, dass ich sie viel sehe. Und wenn doch einmal, dann bekommt sie kaum den Mund auf.« Els verzog das Gesicht. »Das muss sie sich schon sehr früh von Johanna abgeschaut haben. Die konnte auch stur sein, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging.«
»Oder von dir«, wandte Bibiana ein, und die anderen Frauen lachten. »Ihr beide seid euch so ähnlich, dass es manchmal zum Weinen ist.«
Während sie weiter debattierten und in der Küche die letzten Krüge der Sendung nach Süden fertig machten, hatte Kramer den Stall betreten. Die fröhlichen Frauenstimmen waren bis in die Gaststube zu ihm gedrungen, wo Ennli das Abendbrot servierte, und hatten seine Neugierde geweckt. Dass sie in der Küche nicht nur Suppe und Braten zubreiteten, hatte er sofort begriffen.
Aber was taten sie dann?
Es war schon zu dunkel, um Genaueres zu erkennen, deshalb verließ er sich vor allem auf seinen Tast- und Geruchssinn. In die zahlreichen Körbe hatten sie getrocknete Kräuter gepackt, die für ihn wie Unkraut aussahen – doch zu welchem Zweck? Auf gut Glück zog er eines der Bündel heraus und verbarg es unter seiner Kutte. Dann war da auch noch eine stattliche Anzahl von Krügen, die sich nicht öffnen ließen, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen. Kramer packte kurzerhand einen von ihnen, sah sich nach allen Seiten um und verschwand mit seiner unverhofften Beute.
Erst in der Sicherheit seines Zimmers hielt er sich das Bündel an die Nase und befingerte es ausgiebig. Bibernell und Liebstöckel erkannte er, die anderen Pflanzen jedoch waren ihm fremd.
Was fing man damit an? Tränke brauen? Salben kochen? Speisen vergiften?
Danach wagte er, das Siegel des Kruges zu
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