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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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schon halb entschlossen, eine Beichte abzulegen und um sein Leben zu betteln, als es an der Tür klopfte. Ein Mann mit einer hässlichen Glatze, auf der Muttermale wie kleine Käfer saßen, streckte den Kopf ins Zimmer. »Es ist so weit.«
    Herr Jesus, was denn nur?, fragte Ambrosius sich zitternd. Er brauchte keine Aufforderung, sondern folgte Marx und seinem Kumpan widerstandslos hinaus in den Garten. Würde man ihn hier aufhängen? An seinen Hoden, denen bisher ein gütigeres Schicksal widerfahren war als jenen in Marx’ Alpträumen?
    Dann sah er den Schimmel. Das Tier trug eine Last auf dem Rücken. Zwei nackte Füße im Zustand der Verwesung bewiesen, dass es sich um eine Leiche handeln musste. Unter dem Aprikosenbaum war ein Loch in die harte Erde gegraben worden, und da begriff Ambrosius, bis auf den Grund seines Herzens erleichtert, dass Marx nur seine seelsorgerische Hilfe benötigte. Ihm wurde rasch klar, um wen es sich bei dem Toten handelte. Es musste der arme Junge sein, dessen Leiche Marx gestohlen hatte – das neueste Gerücht, das in der Wildenburger Herrschaft kursierte.
    Ohne einen Kommentar abzugeben, sah Ambrosius zu, wie der Mann mit der Käferglatze die Leiche vom Pferderücken hob. Als die Decke beiseiteglitt, schrie der Pater leise auf. Obwohl er den Kopf sofort zur Seite wandte, sah er doch den offenen, schwarzen Brustkorb und die armselige Stelle zwischen den Beinen. Nach diesem Ausruf des Entsetzens hielt er es für klüger, nicht weiter auf sich aufmerksam zu machen. Schweigend sah er zu, wie der Käfermann den geschändeten Körper in das Grab legte. Die Finger des armen Burschen fehlten ebenfalls, lieber Herr Jesus, was taten die Menschen einander an!
    Mit zitternder Hand schwenkte Ambrosius das Weihrauchfässchen über dem offenen Grab. Trotz der Kälte zwang er sich zu einem ausgiebigen Gebet, denn er spürte, dass die beiden Männer etwas Besonderes erwarteten. Er harrte aus, während der Käfermann Schaufel um Schaufel Erde auf den Leichnam warf, das Grab mit seinem Stiefel festtrat und schließlich – was für eine trostlose Angelegenheit – gefrorene Grassoden über der Grabstätte ausbreitete, um die Stelle zu verbergen. Als die letzte Sode lag, stieß Ambrosius einen abgrundtiefen Seufzer aus.
    »Und nun …«
    Der Pfarrer hielt die Luft an, als Marx die gesunde Hand um seine Schulter legte und ihn einige Schritte fortführte.
    »… die zweite Sache, derentwegen ich gekommen bin.«
    Ihm sank das Herz. Also doch. Er hatte gewusst, dass er nicht davonkommen würde. Mit einer Stimme, die gemessen an dem, was gerade geschehen war, unpassend heiter klang, flüsterte Marx ihm ins Ohr: »Verrate mir, wo der Müller wohnt.«
    »Was?«, stotterte Ambrosius überrascht.
    »Der Müller. Der Mann, der Gottes Gaben zwischen Steinen zermahlt. Und dabei ganz gelegentlich zum Zeuge eines Mordes wird. Der Müller .«
    Ambrosius überkam eine grässliche Befürchtung. Marx hatte sich offenbar vorgenommen, eines nach dem anderen die Dinge zu erledigen, die ihm am Herzen lagen. Was es mit dem toten Jungen auf sich hatte, begriff er nicht, aber der Müller war der Mann, der Marx verraten hatte, und nun sollte offenbar die Stunde der Abrechnung kommen. Wie die ausfallen würde, konnte er sich vorstellen.
    »Nun?« Marx’ meisenblaue Augen strahlten. Scheiß auf Meisenaugen, dachte Ambrosius elend. Der Müller würde das, was Marx seinetwegen erlitten hatte, mit gleicher Münze heimgezahlt bekommen. Ihm stand ein Martyrium bevor. Nicht dass er ein sonderlich braves Gottesschäfchen wäre oder auch nur ein angenehmer Mensch. Man munkelte, dass er gelegentlich die Waage manipulierte. Aber trotzdem …
    Und da fiel es Ambrosius plötzlich wie Schuppen von den Augen. Mit einem Schlag begriff er, warum der Herr Marx von Mengersen nach seiner Flucht vom Henkersblock ausgerechnet in den Gemüsegarten der Pfarrei geführt hatte: Gott gibt mir die Möglichkeit, für meine Sünden zu büßen! Die Erkenntnis traf ihn so machtvoll, dass er am ganzen Körper zitterte. Es gab keine andere Erklärung. Gott hatte ihn in seinen Sünden reif werden lassen, und nun reichte er ihm wie weiland Jesus im Garten Gethsemane den bitteren Kelch. Er schaute auf ihn herab und wollte wissen, ob sein Knecht seinen Nächsten mehr liebte als das eigene erbärmliche Leben und wie viel Leid er für seinen Schöpfer zu ertragen bereit war.
    Gott wollte, dass er schwieg …

   ophie schaute in den Spiegel. Der Rahmen war

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