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Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe und der Leichendieb: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Glaesener
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Hure trug ein Kleid aus veilchenblauem Samt mit weißer Stickerei – ein strahlendes Stück Schönheit in dem trostlosen Umfeld. Sie hatte Bänder in ihr Haar gebunden, die sich auf ihren Schultern kringelten. Eines war durch eine Schnalle aus blauen Glasperlen gezogen, was einfach und raffiniert zugleich wirkte. Ohne sich sonderlich zu beeilen, kam sie näher, und da sie fast einen Kopf größer als Sophie war, fiel es ihr leicht, auf ihre kleine Herrin herabzublicken.
    Wut wallte in Sophie auf. Mit so viel Festigkeit wie möglich herrschte sie die Frau an: »Was fällt dir ein, dich ungefragt in ein Gespräch deiner Herrin einzumischen? Hast du nichts zu tun? Fort, an die Arbeit!« Es war das erste Mal, dass sie eine offene Konfrontation mit der Hure wagte. Aber … gut so! Der Torwächter lauschte mit offenem Mund und würde die Kunde von dem Streit hoffentlich weitertragen.
    »An die Arbeit? Aber welche Arbeit denn?«, fragte Edith mit einem schmalen, unangenehmen Lächeln.
    Aus den Augenwinkeln sah Sophie, wie der Wächter sich hinter die Mauer verzog. Das machte sie noch wütender. Schick deinen Pfeil voraus, hatte Vater gesagt. Scharf fuhr sie Edith an: »Der Garten, in dem du bisher deine Kräuter gezogen hast, wird für die Küche gebraucht. Reiß aus, was dort noch in der Erde ist, und grab alles um. Ich werde im Frühjahr Gemüse anbauen lassen!«
    »Wie sollte das denn wohl gedeihen?«
    Verblüfft stieß Sophie hervor: »Mit Gottes Segen – wie alles hier! Und nun stiehl mir nicht die Zeit. Ich werde kontrollieren, ob du deine Arbeit getan hast.« So selbstbewusst wie möglich drehte sich fort. »Josepha!« Verdutzt suchte sie die Wege zwischen den Häusern ab. Ihre Magd war verschwunden.
    »Ach du meine Güte, wo mag sie wohl hin sein?« Edith trat neben Sophie, völlig gelassen. Mit geneigtem Kopf flüsterte sie: »Merkst du es gar nicht? Die Leute gehorchen dir nicht, Kind. Du bist so jung, so unscheinbar, so tollpatschig, so … so wenig geeignet, das Herz eines Mannes oder irgendeines Menschen zu erobern. Wofür strampelst du dich nur ab? Du hättest es viel leichter, wenn du in deiner Kammer bleibst, für den Herrn die Beine breit machst und ansonsten … unsichtbar wirst.« Sie trat zurück und ihr Blick glitt zu dem leeren Fleck vor dem Friedhofstürchen. »Dennoch … gut. Ich werde Josepha bestrafen.«
    »Da wirst was? Du wirst gar nichts tun! Josepha ist meine Magd, und …« Sophies Stimme zitterte: »Und sowieso! Die einzige, die das Recht hat, in dieser Burg zu strafen, sind mein Ehemann und ich. Ich werde dafür sorgen, dass Marsilius von deinem respektlosen Reden … Dass er von deiner Frechheit erfährt! Dann wirst du schon sehen, was du dir erlauben kannst!«
    Sie bebte vor ihrem eigenen Mut. Wie würde Marsilius reagieren, wenn Edith ihn gegen sie aufhetzte? Kurz dachte sie an seine Reitpeitsche. Aber sie war schwanger, das war ihr Schutz! Suchend blickte sie sich um. Wohin, bei allen Heiligen, war Josepha denn nun wirklich verschwunden? Von der Frau war weit und breit nichts mehr zu sehen.
    Stattdessen kam ein Mädchen mit einem Korb voller Holzscheite aus dem Dorf. Die Last war so schwer, dass sie sie kaum schleppen konnte. Sie mochte zehn oder zwölf Jahre alt sein. Stolpernd betrat sie die Brücke. Im nächsten Moment wurde sie von einer Ohrfeige, die Edith ihr versetzte, zu Boden gefegt. Der Korb polterte auf die Planken, die Scheite rollten in alle Richtungen, und einige plumpsten in den schmutzstarrenden Graben. »Ungeschicktes Ding!«, kommentierte Edith mit kalter Stimme.
    Sophie schrie auf. »Wie kannst du es wagen …«
    »Was denn, Herrin?«, fiel ihr die schöne Frau in Wort. »Was wage ich denn?«
    Sophie war so fassungslos, dass ihr keine Antwort einfiel. Die Magd rappelte sich vom Boden auf und schaute bestürzt auf die Scheite und dann auf die Frau, die sie gezüchtigt hatte.
    »Heb das wieder auf!«, befahl Edith.
    Das Kind bückte sich nach einem Scheit.
    »Und wenn du fertig bist, trag es in die Saalkammer.« Edith hob graziös den Rock an und wollte in die Burg zurück.
    »Warte, warte, du bleibst hier!«, stieß Sophie hervor. Die Hure kümmerte sich nicht um den hysterischen Befehl. Ungerührt setzte sie ihren Weg fort. Sophie sah, wie der Torwächter hinter seiner Ecke hervorlugte und sich sofort wieder verzog. Eine Frau, die einen Nachttopf in einer Sickergrube entleerte, tat, als wäre sie völlig in ihre Arbeit versunken. Das Mädchen sammelte die

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