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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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einen Steinwurf
vom schwer befestigten Peterstor entfernt. Die Paralleltürme streckten sich wie
stumme Wachen in den Himmel, und im obersten Stock flammte bereits Kerzenlicht auf.
Ohne Probleme konnte er die Soldaten erkennen, die Dienst hatten und ihre Wache
ableisteten. Tief in Decken und Kapuzen vergraben, spähten sie ins weiße Nirgendwo.
Sie taten Lorenz leid und doch war er gleichzeitig stolz auf sie, da sie selbst
bei dieser Kälte und diesem Schneegestöber ihren Dienst erfüllten. Würden sie wehrhaft
genug sein, wenn die Armeen der Feinde gegen die Wälle stürmten? Würden sie die
gegnerischen Soldaten vielleicht sogar in die Flucht schlagen können? Wie lange
würden die Vorräte der Stadt reichen? Wie lange die Turmmühle Mehl verarbeiten?
Natürlich, die Mauern waren dick und die Männer standhaft, aber eine längere Belagerung
würde die Stadt nicht aushalten können. Nein, Guébriants Truppen mussten vorher
gestellt werden, um jeden Preis, sonst war Kempen für alle Zeit verloren.
     
    Nach und nach erweckten die ersten Sonnenstrahlen die Bewohner aus
ihrem Schlaf und die Straßen wurden betriebsamer. Während Lorenz in der Schmiede
bereits die Öfen befeuerte, bereitete seine Mutter im Haus das Frühstück zu. Sein
Vater und Maximilian kamen zugleich in die Schmiede und begrüßten ihn mit einem
kurzen »Morgen.«
    Allem Anschein nach war der gestrige Streit noch
nicht ausgestanden. Lorenz nahm sich vor, an diesem Tage besonders hart zu arbeiten
und am Abend das aussöhnende Gespräch zu suchen. Doch sein Vorhaben wurde von einem
unerwarteten Ereignis unterbunden. Schon von Weitem war das Wiehern der Pferde zu
hören, die eine große, geschlossene Kutsche zogen. Lediglich die rot gestrichenen
Räder setzten sich von dem komplett in Schwarz gehaltenen Ungetüm ab, das sich mühsam
seinen Weg durch den frischen Schnee bahnte. Argwöhnisch trat der Vater aus der
Schmiede und musterte das Gefährt. Mit einem leichten Peitschenknall kam der Fiaker
keine zehn Meter vor dem groß gewachsenen Mann zum Stehen. Während die Mutter die
Kleinsten im Haus hielt, stellten sich die Brüder abwartend hinter ihren Vater.
Er schritt einige Fuß vor, postierte sich breitbeinig vor dem Gefährt und verschränkte
die Arme. Ein tiefes Seufzen war aus seinem Mund zu hören. Nur wenige Menschen besaßen
eine Kutsche in diesem Dorf, noch dazu mit einem eigenen Pferdewirt. Die Kunde,
die diese Leute überbrachten, war meistens schlecht. Und man sollte vor dem Frühstück
dem Schmied keine schlechten Nachrichten überbringen. Im letzten Winter hatte er
einem Spieler das Handgelenk mit nur einem Ruck gebrochen, als der seine Rechnung
für ein Langmesser nicht bezahlen konnte. Der Unglückliche war so töricht gewesen,
diesen Umstand dem Schmied vor der ersten Mahlzeit des Tages mitzuteilen. Nur mit
Mühe konnte er von seinen Söhnen davon abgehalten werden, den Mann im nahe gelegenen
Weiher zu ersäufen. Hinter dem Rücken seines Vaters suchte Lorenz Maximilians Blick
und dessen Augen verrieten, dass er dasselbe dachte.
     
    Der Lenker schwang sich geübt ab, nickte Vater kurz zu und öffnete
die Tür der Kutsche. Mit einem Quietschen gab sie den Blick auf die Besucher frei.
Lorenz lief es kalt den Rücken herunter, was sicherlich nicht an der Beharrlichkeit
des Winters lag. Antonellas dunkle Augen lugten unter einem Tuch hervor, das sie
sich über den Kopf geworfen hatte. Nur für einen Augenblick sah er sie lächeln,
dann hievte sich eine kleine, dickliche Person aus der Kutsche. Dicht gefolgt von
einer lächelnden Schönheit. Elisabeths wallende, blonde Haarpracht wippte bei jedem
Schritt mit und das purpurrote Kleid schleifte über den Schnee.
    »Einen schönen guten Morgen!«, rief der Mann aus vollem Hals, als er
auf Vater zu schritt. Beide Arme streckte er dabei in die Länge, als wolle er die
ganze Welt umarmen. Auf seinem schwarzen Anzug sammelten sich hier und da einige
Flocken, die schnell schmolzen und kleine Flecken hinterließen. Sein Gesicht war
rot angelaufen und er grinste breit. »Ich muss mich entschuldigen, dass ich Euch
bereits in den frühen Morgenstunden aufsuche. Aber …«, er blickte Elisabeth an,
»… aber es gibt da ein Ereignis, worüber zu reden keinen Aufschub duldet.«
    Die Szene nahm belustigende Formen an, als sich Josef vor Dannen aufbaute
und lediglich »Mhh?« grollte. Dannen war mindestens drei Köpfe kleiner als der hünenhafte
Schmied. Wäre er noch näher an den Mann herangetreten,

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