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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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hatte im Dorf schon die Runde gemacht und
wurde dramatischer und schlimmer, je öfter sich die Bewohner die Mäuler darüber
zerrissen. Dies schien der Fluch eines jeden Dorfes zu sein. In Wirklichkeit hatten
die beiden nur ein Wortgefecht gehabt. Doch zwei Tage später hieß es, dass sie handgreiflich
geworden seien und Tillmann die Messe am Sonntag hätte ausfallen lassen müssen.
Natürlich völliger Unfug. Doch Tratsch ist ein gefräßiges Tier, das gefüttert werden
will.
     
    Lorenz’ Vorfreude auf den Abend ließ den Tag schnell vergehen. Fast
wäre ihm beim Guss eines Schwertes ein Fehler passiert und das flüssige Eisen in
das Stroh gelaufen. Zu seinem Glück passte Maximilian für ihn mit auf und konnte
einen Brand gerade noch verhindern.
    »Mit den Gedanken woanders, mhh?«, spottete er verschmitzt.
    Tatsächlich konnte Lorenz es nicht abwarten, dass Vater seine dicke,
gegerbte Schürze ablegte und mit einem Nicken den Arbeitstag der beiden beendete.
Während Maximilian sich den Ruß von den Armen wusch, säuberte Lorenz jede Stelle
an seinem Körper mehrfach. Was seinen Bruder dazu veranlasste, ein weiteres Mal
breit zu grinsen und »Träumer« zu murmeln.
    Doch dies konnte seine gute Laune nicht mindern. Zur Feier des Tages
zog er sich seine einzige Pluderhose an. Sie war grün-gelb gestreift, durchzogen
von einem goldenen, gewebten Muster. Dazu ein hellbraunes Wams, das nicht nur seine
durchtrainierte Figur betonte, sondern auch warm hielt. Maximilian hatte sich ebenfalls
seine beste Kleidung angezogen, dazu noch eine Kappe, die seine Ohren vor der Kälte
schützen sollte. Nachdem sie sich verabschiedet und die mahnenden Worte ihrer Eltern
vernommen hatten, machten sie sich auf den Weg an das andere Ende der Stadt. Der
Wind schien sich gegen sie verschworen zu haben und peitschte ihnen mit langen Regentropfen
ins Gesicht.
    »Wenn wir angekommen sind, sehen wir aus wie nasse Hunde!«, fluchte
Lorenz.
    »Freu dich lieber auf das warme Essen, als auf dein Aussehen achtzugeben«,
mahnte sein Bruder belustigt. Die weiße, ruhige Pracht war nun einer braunen Masse
gewichen. Schlamm und Dreck bedeckten ihr Schuhwerk, als sie endlich das große Haus
des Bürgermeisters erreicht hatten. Es war direkt am Kuhtor gelegen, der nördlichen
Eingangspassage der Stadt. Auch hier patrouillierte die Stadtwache und versuchte
sich am immer kleiner werdenden Feuer zu wärmen. Lorenz blickte ihnen sehnsüchtig
zu, bis das große Haus ihm die Sicht versperrte. Neben der Kurkölnischen Landesburg
und der Kirche schien dies das größte Gebäude der Stadt zu sein. Er war schon mehrmals
hier vorbeigegangen, und immer wieder faszinierte ihn die filigrane Arbeit, mit
der das Gebäude gebaut worden war. Vor der mit Gussmustern verzierten Tür blickten
die beiden hoch. Prachtvoll stand der Sitz des Bürgermeisters vor ihnen und trotzte
dem Regen stolz. Sie konnten nur mutmaßen, wie viele Zimmer dieses Anwesen beherbergte.
    Maximilian sah seinen Bruder an. »Bereit?«
    Lorenz nickte kurz, nicht ohne den Versuch zu
unternehmen, sich zumindest ein wenig des Dreckes an seinen Schuhen zu entledigen.
Selbst in dieser stürmischen Nacht hörte man den Türklopfer gut. Maximilian musterte
das Werk ganz genau. Ein Löwenkopf, der einen Ring in seinem Maul trug. An ihm waren
zwei Engel befestigt, mit denen man gegen die Tür schlagen konnte. Von der dauernden
Beanspruchung wirkten die Flügel des rechten Engels wie abgebrochen. Noch ganz von
der Arbeit begeistert, schreckte Maximilian hoch, als die Tür ruckartig geöffnet
wurde. Die beiden wurden von einem älteren Mann gemustert. Seinem bis zum Hals geschlossenem
Hemd und der geraden Haltung nach zu urteilen war der Mann kein Page oder Diener.
Zumindest hatten die Brüder ihn noch nie in der Stadt gesehen.
    »Ihr wünscht?«, bellte er ihnen entgegen. Sein gepflegter Oberlippenbart
wippte mit jedem Wort mit.
    »Wir wurden eingeladen«, sagte Maximilian etwas zu laut und mit einem
gewissen Maß an Aggression in seiner Stimme.
    Nach einer weiteren Sekunde zog der Mann seine
Augenbrauen fast bis zu seinem scharf gezogenen Scheitel hoch.
    »Natürlich.« Er atmete tief ein. »Ihr seid die Söhne des Schmiedes.«
    Bevor Maximilian eine weitere schnippische Antwort entgegnen konnte,
kam Lorenz ihm zuvor. »Ja, mein Herr.«
    Mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete er den beiden, in das Haus
zu treten.
    »Ihr Burschen wisst, dass die Familie sich zum Abendmahl vorbereitet?«
    Der Mann drehte

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