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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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einmal
mitbekommen hatte, wie sein Bruder sich ins Bett legte. Seine Haare hatten sich
wie ein Vorhang über die Augen gelegt und das gleichbleibende Schnarchen verriet,
dass er sich im Tiefschlaf befand. Nach ein paar Schritten in das kleine Wohnzimmer
wusste Lorenz, dass dies auch für die restliche Familie galt. Draußen war es dunkel,
es hatte wohl noch nicht fünf Uhr geschlagen. Er hatte nicht vor, die Woche im Streit
beginnen zu lassen, also machte er sich daran, das Haus zu heizen. So leise wie
möglich zündete er ein Feuer an und beobachtete die immer größer werdenden Flammen.
Gerade als er einen weiteren Scheit nachlegen wollte, spürte er ein Tippen auf seiner
Schulter und fuhr erschrocken herum.
    »Oh, Siegfried«, stöhnte Lorenz erleichtert. »Was machst du so früh
schon auf den Beinen? Du kannst doch noch ruhen.«
    Der kleine Junge tippelte nervös mit den Füßen auf dem Boden herum
und hielt in seiner Hand ein kleines Holzschwert, das ihm sein Vater angefertigt
hatte.
    »Ich kann nicht schlafen«, murmelte er.
    Lorenz streichelte ihm milde lächelnd über seinen Kopf.
    »Na komm, setz dich erst mal.«
    Als er ihn auf seinen Schoß hievte, merkte er erst, wie kräftig sein
kleiner Bruder geworden war. »Was ist denn los, Kleiner?«
    Behutsam befühlte der Junge mit der einen Hand das glatte Holz des
Schwertes, während die andere den Griff eisern festhielt.
    »Es sind die Hexen«, druckste er schließlich.
    In diesem Moment tat Lorenz seine dumme und unüberlegte Aussage vom
gestrigen Abend so leid, dass er sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Für einen
kurzen Moment schloss er die Augen.
    »Mutter sagt, dass sie uns nicht holen kommen. Aber wenn sie Zauberkräfte
haben, vielleicht können sie es doch. Wer hindert sie daran?«
    Mit seinen blauen Augen schaute er Hilfe suchend seinen großen Bruder
an. Lorenz würde den Fehler von gestern nicht wiederholen.
    »Unser Glaube«, flüsterte er schließlich. »Die Kirche und der allmächtige
Gott werden uns schützen.«
    In dem kurzen Flackern in Siegfrieds Augen erkannte er, dass die Worte
ihre Wirkung nicht verfehlten.
    »Die Kirche und Pfarrer Tillmann werden nicht zulassen, dass Hexen
in unsere Stadt kommen und uns holen. Sei dir ganz sicher. Der Pfarrer ist ein guter
Mann und wird sie sofort erkennen, auch wenn sie sich noch Meilen entfernt befinden.«
Die letzten Worte sprach er ein wenig lauter und gedehnter, dabei machte er eine
ausladende Handbewegung, um zu verdeutlichen, dass der Kleine wirklich nichts zu
befürchten hatte. Ein kurzes Lächeln huschte über die schmalen Lippen von Siegfried.
    »Wirklich?«, bohrte er weiter.
    »Aber ganz sicher, dir wird gar nichts geschehen, versprochen.«
    Ein weiteres Mal tätschelte Lorenz seinen Kopf. »Und außerdem hast
du ja dein Schwert«, fügte er mit sanfter Stimme hinzu.
    Der Kleine nickte schnell.
    »So, Siegfried. Jetzt aber leise ins Bett und versuche noch ein wenig
zu schlafen.«
    Dankbar sprang der Kleine vom Schoß seines Bruders, um in sein Zimmer
zu gehen, das er sich mit seinen Schwestern teilen musste. Dabei schwang er mehrmals
das kleine Holzschwert im Raum, als würde er Feinde bekämpfen, die nur er sehen
konnte. Lorenz lächelte. Ob er das auch mal gemacht hatte? Er konnte sich beim besten
Willen nicht daran erinnern, erfreute sich aber an der Vorstellung, dass es so gewesen
sein musste. Wann hatte er eigentlich aufgehört, gegen Drachen und Monster zu kämpfen?
Oder schöne Burgfräulein aus Schlössern zu retten und sich zu wünschen, dass er
ein berühmter Ritter war? Lorenz schüttelte unmerklich mit dem Kopf, als er einen
weiteren Scheit in den Ofen legte, der knisternd von den Flammen begrüßt wurde.
Nein, er konnte sich nicht daran erinnern und vielleicht war das gut so.
     
    Der Morgen hatte erst wenige Menschen auf die
Straße gelockt. Es war über Nacht erneut Schnee gefallen, der die grauroten Zinnen
der Burg weiß malte. Aus einigen Scharten brannte bereits flackerndes Licht, ein
stummer Beweis der Betriebsamkeit der erzbischöflichen Beamten. Es musste viel Zeit
vergangen sein, seit der Erzbischof Ferdinand von Bayern hier zu Besuch gewesen
war. Lange Zeit wurde kein Fest für ihn ausgetragen, dachte Lorenz beim Blick auf
das schneebedeckte, steinerne Symbol der Herrschaft des Erzbischofs. Nur die drei
großen Türme ragten noch aus dem Bild heraus und schienen ihre Farbe trotzig halten
zu wollen. Die Schmiede der Familie war südlich der Stadt gelegen, nur

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