Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)
dieser Glaubensverfall ist es, der unseren Erzbischof von
Köln dazu veranlasst hat, die Hexenprozessordnung zu verschärfen. Und das mit Recht.«
Empört ließ der Bürgermeister sein Glas auf den Tisch knallen. »Junger
Schmied, du weißt nicht, worüber du da sprichst! Ferdinand von Bayern hat diesem
Land nichts gebracht. Nichts, außer Tod und Elend.« Schnell fing er sich und wollte
sein Glas neu ansetzen, doch anstatt einen Schluck zu sich zu nehmen, redete er
sich weiter in Rage. »Eine Verschärfung der Prozesse und das Einsetzen von Hexenkommissaren
hat schon vielen Unschuldigen den Scheiterhaufen eingebracht. Merk dir meine Worte,
junger Freund! Ein Mensch ist intelligent, viele Menschen sind ein Haufen voll hysterischer
Paniker!«
Dann war ein Moment Ruhe, bis schließlich Elisabeth mit einem kleinen
Kichern die Stille durchschnitt. »Nun, ich denke nicht, dass irgendwelche Hexen
hier unter uns weilen. Und wenn, dann wäre der Sekretär meines Vaters sogar zu geizig,
den Scheiterhaufen zu bezahlen«, sagte sie und blickte mit ihrem makellosen Lächeln
in die Runde. Dabei nahm sie mit einem Mal jegliche Aggression aus dem Gesicht ihres
Vaters und dem der Brüder.
»Ich denke nicht, dass Hexen die Gefahr sind«, flüsterte Antonella,
gerade so für alle hörbar. »Die Möglichkeit einer Belagerung der französisch-schwedischen
Truppen scheint mir viel realer.«
Mit dieser Aussage zog sie die Blicke aller Anwesenden auf sich. Bevor
sie ihren Kopf senkte, schenkte sie Lorenz ein zaghaftes Lächeln.
»Nun, mein Kind«, beruhigte Dannen sie in bester Politikermanier. »Das
brauchst du nicht zu fürchten. Nach meinen Informationen ziehen die feindlichen
Truppen schon weiter Richtung Westen.«
»Die Kunde der Reiter ist da anders«, warf Lorenz ein, als er sich
ein Stück Fleisch in den Mund stopfte.
»Diese Informationen sind falsch. Auf welche Meinung solltet ihr wohl
eher vertrauen, auf die des Bürgermeisters mit seinen vielen diplomatischen Beziehungen
oder auf die eines einfachen Schmiedes, der die Stadt nur zum Holzsammeln verlässt?«,
blaffte Dannen.
Maximilian musste sich zusammenreißen, um nichts Unkluges zu entgegnen.
Entgegen seiner Gewohnheit warf er Dannen nur einen stechenden Blick zu und widmete
sich dann erneut dem Essen. Es war ein weiteres Mal Elisabeths gewinnende Art, die
dafür sorgte, dass die Situation nicht eskalierte.
»Aber, aber, wir wollen doch einen so schönen Abend nicht ruinieren.«
Dann ließ sie sich Wein nachschenken und wandte sich an Lorenz. »Lasst ihn uns lieber
in allen erdenklichen Zügen genießen«, hauchte sie verführerisch, während sie das
Glas an die Lippen hob.
Gerade als die Köchin eine prall gefüllte Schüssel Erbsen hereintrug,
wurde die Tür zur Empfangshalle aufgestoßen. Mit hochrotem Kopf stürmte der Sekretär
an den Tisch und beugte sich dem Bürgermeister entgegen. Panik war in seinen Augen
zu sehen.
»Sie, sie …«, hechelte Baier. »Marschall Guébriants Truppen. Sie kommen.«
Eine Sekunde war es still, dann durchschnitt das helle Klirren der
Schüssel den Raum. Still kullerten die Erbsen in alle Richtungen. Die Köchin faltete
schwer atmend die Hände über dem Mund und betete.
Dannen starrte seinen Sekretär an. »Was sagt Ihr, Baier? Wie konnte
…? Was sollen wir nun …?«
Lorenz und Maximilian sprangen ruckartig auf.
»Wie wäre es mit Verteidigung?«, raunte Maximilian trotzig. »Aber das
ist natürlich lediglich die Meinung eines einfachen Schmiedes, der die Stadt nur
zum Holzsammeln verlässt.«
Kapitel 4
- Drohendes Unheil -
Als ob das vorangegangene , scheußliche Wetter ein Vorbote des drohenden Unheils gewesen war,
war es jetzt, nach Eintreffen der Nachricht, ruhig. Nicht einmal ein Windhauch war
zu spüren, als sie die ersten Schritte aus dem großen Haus des Bürgermeisters heraustraten.
Dem vormals ohrenbetäubenden Lärm des pfeifenden Windes war nun Stille gefolgt.
Überall auf den Straßen drängten sich Menschen mit sorgenvollen Mienen und Angst
in ihren Augen. In kleinen Grüppchen standen sie zusammen, einige von ihnen mit
entzündeten Fackeln, die zum Himmel emporloderten. Ihre Gespräche waren leise, flüsternd,
ängstlich. Lorenz sah ein weiteres Mal Hilfe suchend in das vom Feuer rot gefärbte
Gesicht seines Bruders. Maximilian ließ seinen Blick über die Menschenansammlung
schweifen, tief in seinen Gedanken versunken schwieg er.
»Und was machen wir jetzt, Max?«
Doch Lorenz bekam keine
Weitere Kostenlose Bücher