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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Vorschein, wie sie die Brüder noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Die Läufe
waren um einiges kürzer als von denen, die sie selbst fertigten. Verziert waren
die Griffe mit kleinen, filigran gefertigten Ornamenten, die im Schein der Kerze
beinahe lebendig wurden.
    »Dies sind meine Meisterwerke«, sagte Josef sichtlich stolz. »Ich habe
lange an ihnen gearbeitet, sie treffen jedes Ziel, auch in etlichen Fuß Entfernung.«
    So hatten die Brüder ihren Vater noch nie gesehen. Liebevoll streichelte
er den verkürzten Lauf der Waffe, dabei funkelten und strahlten seine Augen vor
Freude, als würde er auf einen Goldschatz niederblicken. Vorsichtig übergab er die
beiden Waffen an seine Söhne.
    »Sie sind beinahe schwerelos«, wunderte sich Lorenz, als er die Muskete
an die Schulter legte.
    »Ja«, lächelte Josef. »Ich habe ein wenig herumprobiert und einige
Änderungen vorgenommen.«
    Dankbar sahen sie ihren Vater an.
    Er zuckte mit den Achseln. »Ihr denkt doch nicht, dass ich euch mit
den klapprigen, alten Schießstöcken der Stadtwache in den Krieg ziehen lasse.«
    Auch wenn er es nie zugeben würde, so schien er doch den Tränen nahe
zu sein.
    »So, und jetzt raus hier, Burschen, und achtet ja auf euch, und dass
ihr mir beide unversehrt zurückkommt.« Mühelos schob er das große Tor der Schmiede
auf, das krachend in der Halterung landete. Als die Brüder ihre Waffen in ihren
Rucksäcken verstauten und sich die Last auf den Rücken geschnürt hatten, sahen sich
die Männer an.
    »Danke, Vater«, sagten die beiden. Wenn sie einen Satz in ihrem Leben
ernst gemeint hatten, dann war es dieser.
    Als seine Söhne ihm zum Abschied die Hand reichen wollten, überkam
es Josef. Mit seiner ganzen Kraft drückte er sie beherzt an sich. »Bitte kommt zurück,
meine Söhne!«
    Dann gab er ihnen einen leichten Schubs, und sie standen in der Dunkelheit.
Als sie sich umsahen, lehnte der Vater im fahlen Schein der Kerze am Tor und rieb
sich die Wange. Niemals in seinem Leben würde er das zugeben, doch sie wussten,
dass er gerade weinte.
     
    Trotz des andauernden Nieselregens war der Marktplatz hell erleuchtet
und zum Bersten gefüllt. Ringsum waren Pechfackeln entzündet worden, die ihren Schein
bis hoch hinauf zur Kirche warfen und sie in ein goldenes Rot tauchten. Pfarrer
Tillmanns durchdringende Stimme hatten sie bereits einige Straßen zuvor vernommen.
Als sie den Marktplatz erreichten, stand er mit den Armen rudernd und wild gestikulierend
auf der hölzernen Bühne und schrie über die Menschenmassen hinweg.
    »… ist es Gottes Bestrafung, die uns widerfährt. Sein gerechtes Schwert
wird auf uns niedersausen und die Frevler von den Gläubigen spalten. Doch was ist,
wenn zu viele Ungläubige sich in Kempen niedergelassen haben? Ihr findet das Böse
allerorts, und allerorts muss es bekämpft und vernichtet werden. Es ist sein Wille!
Der Allmächtige unterscheidet nicht …«
    Nur kurz ließ Lorenz die Worte des Geistlichen
an sein Ohr dringen. Gemeinsam mit Maximilian spähte er über den Platz, um die Gruppe
von Freiwilligen zu finden, die sich, mal mehr, mal weniger gut ausgestattet, einen
Platz vor dem Podest gesucht hatten. Neidisch blickten die Männer auf die herannahenden
Brüder und die Ausrüstung, mit der sie den Weg antreten konnten. Jakob erkannten
die beiden sofort. Er ragte aus dem Grüppchen hervor, und wo sich Jakob befand,
konnte Ratte nicht weit sein. Die Begrüßung war herzlich, aber ruhig. Ihren Freunden
schien die Anspannung ins Gesicht geschrieben. Sie besaßen lediglich ein paar Decken,
die sie unter den Arm geklemmt hatten. Lorenz und Maximilian beschlossen sofort,
dass sie ihnen, sobald sie aus der Stadt herausmarschiert waren, ein paar von ihren
Sachen überlassen würden. Obwohl die Stimmung beileibe nicht lebhaft und freudig
wie sonst war, so genossen die Freunde doch das Sicherheit spendende Gefühl, dass
sie diesen Weg zusammen antreten konnten. Ins Gespräch vertieft, bemerkte Lorenz
gar nicht, wie ein Mann an ihn herantrat und ihm leicht auf die Schulter klopfte.
Erschrocken fuhr er herum.
    »Herr Hauptmann«, sagte Lorenz mit einer angedeuteten Verbeugung.
    »Die Gebrüder Cox«, entgegnete er nickend, die Arme hinter dem Rücken
verschränkt.
    Sein Ziegenbart war wieder gestutzt und auch die Uniform schien frisch
gereinigt. Sogar der Säbel und die kleinen Knöpfe funkelten im hellen Schein der
Fackeln.
    »Ihr seid pünktlich.« Sein Mund bewegte sich bei diesen Worten kaum.
Obwohl er

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