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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Helden, nur Tote!«

Kapitel 8
     
    - Schattenspiele -
     
    »Wie könnt ihr es wagen! «
    Mit einem mächtigen Fußtritt hatte Josef die Tür zum Zimmer der Brüder
aufgetreten. Scheppernd fiel sie zu Boden. Durch Staub und Holzsplitter schoss der
Hüne in einem Sturm aus Wut und Enttäuschung auf die schlafenden Brüder zu, packte
erst Maximilian, dann Lorenz am Hals und wuchtete sie gegen die Wand.
    »Josef!«
    Nur Sekunden später setzte Marta ihrem Mann nach
und zerrte verzweifelt an seinem muskulösen Oberarm. Mit aufgerissenen Augen blickten
die Brüder ängstlich in das Gesicht ihres Vaters. Die Adern an seinem Hals pulsierten.
Zornig blitzte er sie an, und seine Zähne schlugen aufeinander.
    »Wie könnt ihr es wagen!«, wiederholte er brüllend.
    Maximilian wollte etwas antworten, doch die mächtige
Pranke an seinem Hals erstickte jeden Laut. Innerhalb von Sekunden schoss das Blut
in ihre Köpfe, verzweifelt sahen sie ihren Vater an und spürten, wie die Ohnmacht
sich langsam, aber unaufhörlich über ihren Blick herabsenkte. Mit hochroten Köpfen
versuchten sie, Vaters Hände zu lösen. Doch sie waren hart wie Stein. Unerbittlich
drückte er ihnen weiter die Kehle zu. Ihre Blicke wurden glasig. Hatten ihre Augen
eben noch voller Panik in ihres Vaters Gesicht geblickt, wurden ihre Lider nun schwerer
und begannen zu zittern.
    »Josef!«, durchzog ein weiteres Mal der schrille
Schrei der Mutter den Raum. Von seinem Arm schnellten ihre Hände hinauf zum Kopf
des Hünen und zwangen ihn, sie anzusehen. Aus ihren blauen Augen funkelte sie ihren
Ehemann an. Ihr Gesicht zeigte keine Regung. Das verrückte Rasen seiner Pupillen
wandelte sich innerhalb von Sekunden in eine Milde, die nur sie zu kennen schien.
Allmählich verlor sein Griff an Kraft. Keuchend fielen die Brüder zu Boden und rieben
ihre malträtierten Kehlen. Während sie heftig Luft in ihre Lungen zogen, krochen
sie gemeinsam auf Maximilians Bett. Lorenz spürte, wie sich mit jedem Atemzug der
Schleier ein Stückchen weiter erhob, bis er schließlich die Umrisse seines Zimmers
erkennen konnte. Lediglich ein leichtes Flackern von tanzenden Punkten schien seine
Sicht noch zu verzerren. Obwohl seine Eltern direkt neben ihm standen, schien es
doch so, als würde Lorenz die Worte, die an sein Ohr drangen, durch eine dicke Glasscheibe
wahrnehmen.
    »Was hat dich geritten, Josef?«, zischte Marta.
    Die Stimme, mit der Josef zu seiner Frau sprach,
war liebevoll, beinahe zärtlich, und kein Vergleich zu dem donnernden Brüllen, womit
er in das Zimmer gestürmt war.
    »Weißt du, was die Burschen gemacht haben? Sie haben sich freiwillig
gemeldet, für die Partisanen des Kaisers. Soeben wurde mir vom Wirt gratuliert,
wie stolz ich auf die beiden sein könne. Dann vom Zimmermann und dann noch vom Kürschner.
Sie alle wussten es, sie alle«, sagte Josef leise.
    Jetzt fiel auch der eiskalte Blick ihrer Mutter auf die Brüder nieder.
Gemächlich trat sie einige Schritte an das Bett heran und kreuzte die Arme vor der
Brust.
    »Ist das wahr?«, wollte sie nach einigen Sekunden wissen.
    Lorenz erhoffte sich, dass wie so oft Maximilian das Antworten für
sie beide übernehmen würde, doch er blieb stumm.
    »Ja, Mutter, es ist wahr«, keuchte Lorenz schließlich.
    Als die Worte seine Lippen verließen, konnte er ihr nicht in die Augen
sehen. Sein Gesicht blieb vor Scham auf den Boden gerichtet.
    »Was denkt ihr euch dabei?« Ihre Stimme war leise, beinahe flüsternd
und gebrechlich.
    »Ich habe euch nicht großgezogen, damit ihr euch abschlachten lasst«,
wimmerte sie.
    Nur kurz blickten die Brüder hoch und wünschten im selben Moment, dass
sie das nicht getan hätten. Von einem zum anderen blickend, kullerten dicke Tränen
Mutters Wangen herunter. Mit halb geöffnetem Mund setzte sie sich auf das Bett.
    »Lorenz, Max, bitte, sagt mir warum …«, flehte sie. »Ich verstehe es
nicht, bitte sagt es mir.«
    Keine Wut schwang in ihren Worten mit, nur bittere Enttäuschung und
Unverständnis. In diesem Moment wünschten sie sich die harte Hand ihres Vaters an
ihren Kehlen und seine brüllenden Worte zurück. Mutters flehendes Gesicht und ihre
Stimme, aus der Angst und Trauer sprachen, waren Hunderte Male schlimmer als das,
was sie vom Vater zu erwarten hatten. Auch Josef schwieg nun, den Kopf gesenkt und
tief in seine Gedanken versunken. Man konnte nur erahnen, was gerade in ihm vorging.
    »Sagt es mir …«, bettelte sie erneut. Ruhig legte sie ihre Hände auf
die Knie der

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