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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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Innerhalb von wenigen Sekunden war die Kriegsbeute
verteilt.
    Immer zahlreicher stürmten die Hessen vor das Podest und hielten die
Bewohner mit Musketen an, dort stehen zu bleiben.
    »Wer ist der erste Mann dieser Stadt?«, schrie ein bärtiger, kleiner
Söldner der Menschenmasse entgegen. Zaghaft und voller Angst fielen die Blicke der
Menschen auf den Boden, niemand traute sich auch nur einen Laut von sich zu geben.
    »Ich bin es!«, ertönte die helle Stimme Baiers laut. Immer noch die
Arme hinter dem Rücken verschränkt, sah er dem Mann tief in die Augen. Langsam schritt
er die kleine Treppe hinunter. Seine Stiefel polterten dabei.
    »So, du bist also der Bürgermeister?«, zischte der Hesse, während er
Baier von oben bis unten musterte.
    Kurz holte er Luft und ließ seinen akkurat rasierten Oberlippenbart
zucken.
    »Ja, so ist es«, sagte Baier ruhig.
    Ohne auch nur eine Spur der Regung in seinem Gesicht zu zeigen, erhob
der Söldner seine Hand, zog ein Messer aus seinem ledernen Gürtel und schlitzte
Baier die Kehle auf. Das Blut spritzte aus dem Hals des zusammenbrechenden Mannes
und fing sich tröpfchenweise im Bart des Söldners. Achselzuckend drehte der sich
zu seinen johlenden Männern um.
    »Die fallen ja wie die Fliegen!«, schrie er.
    Kein Ruf, kein Laut, nicht mal ein Wispern entfuhr den zusammengedrängten
Bewohnern der Stadt. Zitternd hielten sie ihre Hände auf den Mund gepresst, aus
Angst, dass ihnen ein Schrei entfahren könnte. Gebannt konnten sie ihre Augen nicht
von der Leiche Baiers nehmen, dessen Blut immer noch aus seinem Hals sprudelte.
Mit jedem Schritt klirrte die waffenbeladene Uniform des Hessen, als er auf die
Menschen zuschritt.
    »Das passiert jedem, der sich uns in den Weg stellt. Und niemand wird
die Stadt verlassen, wenn ich es nicht sage«, grollte er den völlig verängstigten
Bewohnern entgegen. Schon auf dem Absatz, drehte er sich erneut zu den Leuten um.
»Seht mich einfach als euren neuen Bürgermeister!«
    Ein weiteres Mal prusteten seine Männer.
    »Und jetzt: zur Landesburg! Dort werden wir es uns gemütlich machen!«
    Genauso schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden
die Söldner und verstreuten sich in den Gassen der Stadt. Etliche Fackeln wurden
aus dem Boden gerissen und in Scheunen geworfen. Selbst die großen Fachwerkhäuser
verschonten sie nicht. Unter den entsetzten Blicken der Bürger legte das Feuer die
schönen Gebäude in Schutt und Asche. Knisternd und fauchend bahnten sich die Flammen
ihren Weg in die Dachstühle und ließen die Gesichter der Umherstehenden rot schimmern.
Das Gejohle der Brandschatzer war noch zu hören, als sie eine halbe Meile weit entfernt
waren. Die Bürger Kempens starrten unentwegt auf die drei in den Himmel ragenden
Türme der Landesburg. Erst als auch die letzten Eindringlinge gegangen waren, durchzog
eine immer lauter werdende Stimme den Platz.
    »Seht ihr, was passiert?«, schrie Tillmann. »Seht ihr, welche Plage
uns der Allmächtige schickt? Welche Aufgabe? Welche Prüfung?«
    Nur schleppend löste sich die Traube der Menschen auf. Einige packten
ihre Liebsten am Arm und ergriffen die Flucht zu ihren Häusern. Viele blieben im
stummen Gebet oder versammelten sich erneut vor der Empore, auf der Tillmann sich
immer weiter in Rage redete. Die Gesichter der Menschen glühten nun nicht mehr aufgepeitscht
und rot, selbst im hellen Licht der Fackeln wirkten sie regungslos und fahl. Still
und mit weit aufgerissenen Augen hörten sie seine Worte.
    »Komm«, flüsterte Antonella Lorenz ins Ohr.
    Er dachte, dass sie den Tod Baiers mit einer gewissen Genugtuung betrachtet
haben musste, doch zu seiner Überraschung hatte sie den Kopf angewidert zur Seite
gedreht und ihn auf seine Schulter gepresst, als der Söldner zum Streich ausholte.
Sie musste ihre gesamte Kraft aufwenden, um Lorenz hochzuhieven. Der Schmerz in
seinem Kopf zog sich bis tief in seine Glieder und der Marktplatz schien sich um
sich selbst zu drehen. Die Fackeln tanzten vor seinen Augen, während Lorenz sich
an der Mauer hochzog. Einige Schritte konnte sie ihn stützen, dann wurde die Schwärze
vor seinem Gesicht übermächtig. Er spürte noch, wie seine Hand kraftlos aus ihrem
Griff glitt, dann schlug er mit einem dumpfen Knall auf dem harten Pflaster auf.
Sofort zogen sie einige Blicke auf sich
    »HEXE!«, rief eine Frau laut.
    Lorenz erkannte die spitze Stimme.
    Mehr und mehr Bewohner drehten sich zu den beiden um, immer lauter
schien der Schrei der Masse zu

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