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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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werden.
    Dann stockte auch Tillmann mitten im Satz, als er den Grund für die
Flüche erkannte. Die Ader an seiner Schläfe pulsierte.
    »Sukkubus!«, schrie er aus Leibeskräften. »Der Teufel hat sich zurückgewagt
und Verderben mitgebracht.«
    Einige Leute gingen langsam auf die beiden zu.
Verzweifelt versuchte Antonella, Lorenz aufzurichten, packte ihn am Hals, doch als
sie ihre Hände erhob, klebte daran nur Blut, das ihm in dicken Rinnsalen aus den
Ohren lief.
    »Nun seht! Ihre Hände sind voller Blut! Das Blut von Unschuldigen.
Wie lange hat sie in unserer Stadt gelebt? Wie lange konnte sie unbehelligt ihr
Teufelswerk ausführen?«
    Die Stimme Tillmanns überschlug sich. Einige der Menschen bildeten
einen Kreis um die beiden, während andere in die Rufe des Pastors mit einstiegen.
Nur langsam konnte sich Lorenz auf die Knie stützen. Mit glasigem Blick hielt er
sich stöhnend den Kopf, während er nun einen ständigen Kampf gegen die Ohnmacht
bestritt. Da war es wieder, dieses gelbe Leuchten, das grell aus der grauen Masse
hervorstach. In der Ferne hörte er Antonella flüstern.
    »Nein, nein, bitte nicht. Ihr tut mir unrecht.«
    Es war der Klang ihrer Stimme, der ihn der süßen Verlockung der Dunkelheit
mit aller Macht widerstehen ließ.
    »Zu lange hat sie uns in ihren teuflischen Bann gezogen. Nur Verderben
hat sie über unsere Stadt gebracht. Verderben und den Tod. Seht die Leichen der
tapferen Männer und Frauen!«, spuckte Tillmann den Leuten entgegen. »Seht sie euch
an!«
    Wenige Herzschläge dauerte es, bis der Schrecken auf den Gesichtern
der Menschen sich zu Hass und Zorn wandelte. Die Flammen spiegelten sich in ihren
Augen wider, immer näher drängten sie sich heran, bis sich schließlich der Kreis
geschlossen hatte.
    Eilig sprang Tillmann von seinem Podest herunter und schob die Bewohner
zur Seite, bis er in der ersten Reihe stand.
    »Dies alles lässt nur einen Schluss zu, meine Brüder und Schwestern.
Gott wird diese Stadt nur verschonen, wenn wir sie ihm opfern.«
    Jubel brandete auf, der nur von spitzen Schreien unterbrochen wurde.
Lorenz traute seinem Verstand nicht mehr, als er wirklich in ihr Gesicht blickte.
Mit einer leichten Berührung hatte Tillmann Elisabeth vor sich geschoben, die nun
mit hasserfüllten Augen auf die beiden hinuntersah.
    »Selbst den Vater dieses armen Mädchens hat sich dieser Teufel einverleibt.«
    Elisabeth bebte, ihr ganzer Mund schien zu zittern, während sie schwerlich
die Tränen zurückhalten konnte. »Du Hexe! Du warst die ganze Zeit bei ihm! Die ganze
Zeit, während ich getrauert habe.«
    Sie schritt einige Ellen auf Antonella zu. »Ich hasse dich, du Mörderin!
Du Hexe!«, giftete sie.
    »Nein, nein«, flehte Antonella. Doch wohin sie auch blickte, die Menschen
sahen mit Zorn auf sie herab. Während das Gebrüll immer lauter wurde, fingen die
Ersten an, sie angewidert zu bespucken. Die Blicke von Antonella und Tillmann trafen
sich.
    »Tötet diese Hure des Teufels, sage ich. Es ist Gottes Wille!«
    Die Stimme der Masse wandelte sich zu einem einzigen lauten Schrei.
»TÖTET SIE!«
    Einige Menschen schossen auf sie zu, doch sie schreckten zurück, als
Antonella sie anblickte. In ihrem Rücken griffen zwei Frauen nach ihren Haaren und
zogen sie zu Boden. Erst als sie die Augen vor Schmerz schloss, stürzte sich die
Meute auf sie.
    »Elisabeth … bitte …«, flehte Antonella aus ganzen Kräften.
    Doch auch ihre Schwester rief bereits den donnernden Schrei des Volkes
und stachelte die Menge an. »TÖTET SIE!«
    Vor Lorenz’ Augen verschwammen die Menschen zu
einer einzigen Masse. Gesichter, Arme, Beine, alles schien eins zu sein. Ein großes
fließendes Tier, das blind vor Hass wütete. Als er den ersten Schlag ausführte,
spürte er nur an dem Schmerz seiner Faust, dass er jemanden getroffen haben musste.
Das Tier zog ihn mit, blindlings schlug er auf alles ein, was sich neben ihm bewegte.
Hinter sich vernahm er die bettelnden Schreie Antonellas. Mit der letzten ihm verbliebenen
Kraft stürmte Lorenz auf den Pulk zu, der sich um sie gebildet hatte. Der Zorn ließ
seinen Blick langsam klarer werden. An den Haaren riss er eine Frau beiseite und
verpasste einer weiteren einen Schlag gegen die Nieren. Er spürte, dass Männer ihre
Fäuste schmerzhaft auf seinen Kopf niedersausen ließen. Doch er prügelte weiter
auf das Tier ein. Aus voller Kraft trat er einem Mann ins Gesicht, der Antonella
am Arm hielt, und zog sie aus der Masse an eine Häuserwand. Für

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