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Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Hexe vom Niederrhein: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Thiel
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haben die Schlacht verloren, ich glaube, dass Kempen
belagert wird«, stöhnte Lorenz, während er das Blut an ihren Fingern sah. »Ich werde
es allein versuchen.«
    Schnell schüttelte sie den Kopf. »Mit etwas Glück
konzentriert sich die Belagerung nur auf eine Seite der Stadt. Du kannst es allein
nicht schaffen, nicht ohne meine Hilfe.«
    Auch wenn ihre Stimme noch zitterte und ihr Gesicht
von Schmerz und Tränen gerötet war, so hatte ihr Blick eine klare Bestimmtheit,
wie er sie bei ihr noch nie gesehen hatte.
    »Nein, du bleibst hier in Sicherheit, während ich …«
    Sofort schossen ihre Hände zu seinem Kopf und fassten ihn. »Ich habe
dich schon einmal verloren, Lorenz. Das werde … das kann ich nicht erneut zulassen.
Ich werde dich zu einem Arzt bringen, hast du verstanden?«
    Das Hämmern in seinem Kopf schien nun übermächtig. Es war, als verstehe
er die Worte nicht mehr, die über ihre Lippen drangen. Er spürte einen leichten
Ruck, als sie sein Handgelenk fest umschloss und ihn hochzog.
    »Nein, bleib hier …«, murmelte er.
    Doch Antonella überhörte die Worte einfach, als sie Lorenz abstützte
und ihm aus der Hütte half. Wenige Ellen waren sie auf der Lichtung gegangen, da
fiel sein Kopf kraftlos in den Nacken. Die Augen einen Spalt weit geöffnet, erblickte
er den Mond, der ruhig und strahlend auf sie herunterschimmerte. Der zugefrorene
Weiher schien jeden Laut zu verschlucken, so still war es. Mit einem letzten Blick
auf das schimmernde Silberkraut schleppten sich die beiden von dem einsamen Baum
weg, der breit auf sein Reich heruntersah.
    »Nein, bleib hier«, flehte Lorenz ein letztes Mal.
     
    Als sie keuchend die letzten Bäume des Waldes
hinter sich ließen, verschwanden auch die Stille und Dunkelheit der Nacht. Die Stadt
tobte. Hell erleuchtet warfen die brennenden Fackeln ihr orangegelbes Licht in den
Nachthimmel. Das Getöse und Rumoren war bereits am Waldrand zu hören. Chaos hatte
in der Stadt Einzug gehalten. Lorenz und Antonella stockte der Atem bei dem Anblick.
Weitere Dutzend Fackeln waren in die Felder gesteckt worden. Auf dem Übungsplatz,
wo Lorenz seine notdürftige Ausbildung erhalten hatte, waren riesige Lagerfeuer
entzündet worden. Haushoch züngelten die Flammen in die Nacht hinein. Einige hundert
Menschen hatten sich um sie versammelt und belagerten den dreistöckigen Ostwall,
auf dem herrisch die Turmmühle thronte. Im zuckenden Licht schien das Furcht einflößende
Monstrum auf sie herabzusehen und sich gleich auf die Eindringlinge stürzen zu wollen.
    »Die Hessen«, fluchte Lorenz mit blutunterlaufenen Augen. »Sie sind
da.«
    »Komm«, keuchte Antonella und beschleunigte ihren Schritt, während
sich Lorenz auf ihre Schulter stützte. »Sie konzentrieren sich auf die Ostseite.
Die Tore schienen ihnen zu gut bewacht.«
    Und tatsächlich war nicht eine Person ausfindig
zu machen. Hektisch ließen sie ihren Blick über die Felder schweifen, als sie sich
den riesigen Türmen näherten, die die gusseisernen Rippen des Tores flankierten.
Schon von Weitem sahen sie die Soldaten der Stadtwache im hellen Licht auf sie herunterblicken.
Verzweifelt winkte Antonella mit den Armen. Einige Männer legten ihre Musketen an
und entzündeten die Zündschnur der Waffen. Antonella hetzte wild mit den Armen rudernd
weiter und zog Lorenz hinter sich her. Gequält lachte er auf.
    »Was hast du, Lorenz?«
    »Diese Waffen, die die Männer dort tragen, habe ich gefertigt. Sie
sind gut justiert und treffen genau«, presste er schnell atmend hervor. »Ich hätte
nie gedacht, dass es so eine Waffe sein würde, die mich niederstreckt.«
    Sie waren nur noch wenige Ellen vom Tor entfernt. Wenn die Männer schießen
würden, dann jetzt. Ununterbrochen reckte Antonella ihre Arme in die Luft und rief
den Soldaten etwas entgegen. Lorenz ließ sich nun vollends von ihr führen und wartete
auf das dumpfe Geräusch des Aufschlags, der die Kugeln aus den Läufen treiben würde.
Wenige Herzschläge später drangen mehrere Schüsse an sein Ohr. Doch weder sackte
er zusammen noch Antonella. Im letzten Moment hatten die Soldaten ihre Waffen hochgerissen
und in den Himmel gefeuert. Sein Herz schlug Lorenz bis zum Hals, als sie endlich
die schwere Tür neben dem Turm erreicht hatten und Antonella wie wild dagegenhämmerte.
Abschätzend wurden sie durch die Scharte gemustert, und als die Tür den Weg in die
Stadt freigab, erkannte er das Gesicht des alten Mannes mit dem Schnauzbart.
    »Habt vielen Dank, habt

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