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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Köchin, die sonst ihren Spaß an überdrehten Geschichten hatte, hielt sich auffallend zurück, und Catharina war ihr dankbar dafür. Selbst Michael äußerte sich zu Hause niemals zu diesem Thema. Nur einmal, als eine große Männerrunde zum Abendessen bei Tisch saß, legte er seine Meinung in aller Ausführlichkeit dar.
    «Was da auf den Gassen alles zusammenphantasiert wird, zeugt doch nur von der Dummheit des Volkes. Von diesen Leuten hat keiner begriffen, worum es bei den Prozessen wirklich ging. Dass es nämlich Menschen gibt, und zwar in der großen Mehrzahl Frauen, wie ich gleich erläutern will, die ihre Glaubens- und Willenskräfte nicht zum Wohl, sondern zum Unheil ihrer Mitmenschen einsetzen. Das haben wir doch alle schon erlebt. Zum Beispiel wird ein krankes Kind, das die Mutter mit ihrer ganzen Liebe umsorgt, schneller gesund als eines, um das sich nur der Baderchirurg kümmert. Und genauso kann man seine Kraft für das Böse einsetzen.»
    Die Männer murmelten zustimmend vor sich hin.
    «Und von den Frauen ist ja bekannt», fuhr er mit einem kurzen Seitenblick auf Catharina fort, «dass bei ihnen weniger der Verstand als vielmehr die seelische und körperliche Seite ausgeprägt ist. Nur mangelt es ihnen, durch die fehlende Kontrolle des Verstandes, oft an Gottesglauben. Zugleich ist ihre seelische Kraft meist stärker als bei uns Männern. Da braucht es nicht viel, und das Böse zieht sie in ihren Bann. Im Alltag sehen wir es doch täglich: Jede halbwegs hübsche Frau kann den bravsten Mann allein durch ihre Anwesenheit und durch ihre Blicke in die heilloseste Verwirrung stürzen.»
    Einige Männer lachten laut auf. Der Zunftmeister der Weißbäcker, ein gedrungener Kerl mit blatternarbigem Gesicht, hob sein Glas:
    «Ins Schwarze getroffen, Bantzer. Deshalb muss man auf seine Frau aufpassen. Kennt Ihr meinen Lieblingsspruch?
‹Hab fleißig Achtung auf dein Weib,
Zu Gottes Wort mit Ernst sie treib.
Behalt sie heim in deinem Haus,
Lass junge Buhler alle drauß,
Schaff, dass sie möge Arbeit han,
Wird ihr der Kitzel wohl vergan.›»
    Doch Michael war noch nicht fertig. «Kennt Ihr den Ursprung des lateinischen Wortes ‹femina›? Es stammte von ‹fe›, Glauben, und ‹minus›, minder. Also ein Wesen minderen Glaubens. Wobei meine liebe Frau natürlich eine Ausnahme von dieser Regel darstellt.»
    Angewidert schloss Catharina die Augen. Doch sie sagte nichts. Was hätte sie auch vor all diesen selbstgefälligen Mannsbildern hier am Tisch entgegnen sollen. Immer widersinniger wurden Michaels Ansichten, und wo es nur ging, musste er vor anderen Leuten seine Kenntnisse zur Schau tragen. So nannte er das Martinstor «Porta Sancti Martini» oder sprach von den Turmuhren der Stadt als «Horalogien». Sie fragte sich manchmal, wo er seine Halbbildung immer wieder aufschnappte.

    Im folgenden Jahr wurde Michael zum dritten Mal in den Magistrat gewählt. Er veranstaltete ein großes Festessen, zu dem er fast alle Ratsmitglieder einlud. Bei dieser Gelegenheit lernte Catharina ihre neue Nachbarin kennen. Margaretha Mößmerin war vor kurzem mit ihrem Mann, dem Obristmeister und Zunftmeister der Schneider, Jacob Baur, und ihren beiden erwachsenen Kindern in das «Haus zum Gold» gezogen, ein stattliches Fachwerkhaus auf der gegenüberliegenden Seite des Fischmarkts. Die beiden Frauen mochten sich auf Anhieb, so verschieden sie auch waren. Der offensichtlichste Unterschied lag sicher darin, dass Catharina normalerweise mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg hielt und erst resignierte, wenn ihr eine Situation völlig aussichtslos erschien, während sich die Mößmerin durch ihr stilles und zurückhaltendes Wesen auszeichnete.
    Schon bei ihrer ersten Begegnung war Catharina aufgefallen, dass diese Frau in einer größeren Runde niemals von sich aus das Wort ergriff, und es sollte noch viele Wochen dauern, bis sie Catharina gegenüber offener wurde. Dennoch spürte Catharina von Anfang an, dass sie eine innere Kraft und Beharrlichkeit besaß, die ihr selbst weitgehend fehlte.
    Margaretha Mößmerin war mindestens zehn Jahre älter als Catharina, und das sah man ihr auch an. Doch es schien nicht nur das fortgeschrittene Alter zu sein, das ihr Gesicht mit Kummerfalten gezeichnet hatte. Erst später erfuhr Catharina, dass ihre neue Freundin bittere Enttäuschungen mit ihren Kindern durchlebt hatte. Ihr Sohn Phillip war ein schwerfälliger junger Mann, der beruflich nicht auf die Beine kam, und ihre verheiratete

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