Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Gründen so oft allein ließ – «das hat auch sein Gutes, glaub mir» –, sondern machte aus allem das Beste und nahm es mit dem ihr eigenen Humor. Christoph, mit dem Lene ebenfalls in Briefkontakt stand, erwähnte sie selten, und Catharina war erleichtert darüber.
Sie machte es sich zur Regel, ihrer Base einmal in der Woche einen Brief abzuschicken. Das war zwar eine teure Angelegenheit, denn die Boten verlangten inzwischen Unsummen für das Mitnehmen von Briefen, doch seitdem die Geschäfte so gut liefen, ließ Michael seiner Frau bei ihren Ausgaben wieder völlig freie Hand.
Im Frühjahr eröffnete ihr Michael, dass er aus geschäftlichen Gründen nach Villingen müsse.
«Sag mir doch eben, wie der Gasthof deines Vetters heißt.»
«Willst du etwa dort wohnen?»
«Ja natürlich, er macht mir sicher einen guten Preis oder lässt mich umsonst logieren. Schließlich sind wir ja verwandt.»
Catharina konnte den Gedanken kaum ertragen, dass ihr Mann Christoph wiedersehen würde. Am liebsten hätte sie sich sofort an ihr Pult gestellt und ein paar Zeilen an Christoph geschrieben. Aber sie war zu verunsichert, um die richtigen Worte zu finden. Wahrscheinlich würde er ihren Brief ungelesen zerreißen. So packte sie nur ein Holzpferdchen und eine kleine Stoffpuppe für die beiden Kinder ein.
Als ihr Mann ein paar Tage später zurückkehrte, fragte Catharina ihn: «Hat Christoph etwas gesagt? Lässt er mir etwas ausrichten?»
Michael schüttelte den Kopf. «Nein, nichts. Ich finde, er ist etwas sonderbar geworden. Mein Eindruck ist, dass er mit seiner alten Heimat nichts mehr zu tun haben will.»
Catharina war enttäuscht. Sie hatte so auf ein Lebenszeichen von Christoph gehofft. Es war wohl das Beste, ihn zu vergessen.
Im Juni lief Michaels Amtszeit im Magistrat ab. Der Freiburger Rat setzte sich aus sechs Adligen und vierundzwanzig zünftigen Bürgern zusammen, zwölf davon wurden, wie Michael, als Vertreter der Zünfte jedes Jahr neu gewählt. Ließ man sich nichts zuschulden kommen, wurde man üblicherweise alle zwei, drei Jahre wieder gewählt und hatte überdies gute Aussichten, eines Tages zu den so genannten «Zwölf Beständigen» zu gehören, die ihre Stellung als Ratsmitglied auf Lebenszeit innehatten. Dazu wurde von den Bürgern allerdings erwartet, dass sie sich auch in der Zeit, in der sie nicht zum Magistrat gehörten, für die Belange der Stadt einsetzten und kleinere Aufgaben übernahmen. So konnte sich Michael jetzt zwar verstärkt um den Ausbau seiner Werkstatt kümmern, hin und wieder jedoch wurde er als Beisitzer zu Gerichtsverhandlungen einberufen oder musste einen erkrankten Amtmann vertreten.
Eines Tages wurde er mit der Durchführung einer Versteigerung betraut. Das gesamte Eigentum einer Bürgerin sollte im Kaufhaus öffentlich ausgerufen und zugunsten der Stadt veräußert werden. Am Vorabend saß er Stunden über der endlos langen Inventarliste, die der Stadtschreiber angefertigt hatte. Michael musste entscheiden, welche Besitztümer vernichtet und welche versteigert werden sollten.
«Das meiste ist doch wertloser Plunder», stöhnte er. «Hier: 15 Säcklein getrockneter Kräuter und Wurzeln. Oder: Je 1 Exemplar, sehr abgegriffen, von Eucharius Rösslins ‹Der schwangeren Frauen und Hebammen Rosengarten› und Adami Loniceris Kräuterbuch. Außer ein paar Möbeln und Küchengegenständen wird da nicht viel zusammenkommen.»
Catharina hatte aufgehorcht. «Was ist das für eine Frau?»
«Eine Hebamme namens Ursula Seboltin. Ihr Fall wurde letzten Dienstag vor dem Schultheißengericht verhandelt.»
Der Schreck fuhr Catharina wie ein eisiger Windstoß in die Glieder. Es dauerte endlose Minuten, bis sie sich wieder gefasst hatte.
«Was wird ihr denn vorgeworfen?», fragte sie und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
«Sie hat sich angemaßt, ohne städtische Bewilligung als Hebamme zu arbeiten.»
«Und das reicht aus, um ihr den ganzen Besitz wegzunehmen?»
«Sie musste dafür sogar an den Pranger und wurde anschließend aus der Stadt verwiesen. Dabei hat sie noch Glück gehabt. Sie steht schon lange im Verdacht, schwangeren Frauen zum Abortus verholfen zu haben. Leider war ihr nichts nachzuweisen. Ein Teil der Ratsmitglieder plädierte sogar auf Hexerei. Dann wäre sie auf dem Scheiterhaufen gelandet.»
Catharina schwindelte. Sie ging in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Klar und deutlich sah sie das brave, gutmütige Gesicht der älteren Frau
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