Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Dienstherr noch nie mit ihnen gesprochen.
«Was ist bloß los mit dir?», fragte Catharina ihn.
«Was mit mir los ist? Das frage ich dich!» Er schwankte ein wenig und hielt sich mit beiden Händen an der Tischkante fest. «Du bringst mir Unglück. Du treibst einen Keil zwischen mich und meinen Kompagnon, mischst dich in alles ein und verdirbst mir sämtlichen Spaß. Weißt du, was du aus mir gemacht hast? Einen Trottel, einen lächerlichen Trottel. Du hast mich nie als Mann angenommen, aber wahrscheinlich brauchst du ja einen Stier oder einen Hengst, damit du zu deinem Vergnügen kommst.»
«Michael, bitte, hör auf. Du bist betrunken.»
«Im Gegenteil, ich fange jetzt erst an. Weißt du, was ich glaube? Weil du mit Männern keine Befriedigung findest, rächst du dich jetzt an mir. Du hast mich verflucht. Durch irgendeine Zauberei hast du mir meine Männlichkeit genommen, hast mich zum Schlappschwanz gemacht. Du bist eine Hexe, eine gottverdammte Hexe!»
Er nahm Catharinas Weinglas und zerschmetterte es auf dem Boden. Das Kristall zersprang in winzige Splitter, die wie Schnee auf dem Dielenboden glitzerten. Da räusperte sich jemand: Siferlin stand in der offenen Tür.
«Was machst du um diese Zeit noch hier», herrschte Michael ihn an.
«Der Lieferant mit den Eisenplatten ist unten. Es gibt Unstimmigkeiten wegen des Rechnungsbetrags.»
«Kannst du das nicht allein aushandeln? Wofür hast du deine Vollmachten?»
Mit hochrotem Kopf stampfte Michael die Treppe hinunter, gefolgt von Siferlin, der wie ein geprügelter Hund den Rücken krümmte.
Catharina starrte auf die Glasscherben. Was hatte ihr Mann ihr da eben vorgeworfen? War er von allen guten Geistern verlassen? Eine leise Angst beschlich sie. Wie unberechenbar war er geworden.
Eine Woche später sprach Elsbeth sie mit besorgtem Gesicht an.
«Heute Morgen habe ich zwei von diesen Fischweibern bei ihrem Tratsch belauscht. ‹Die Bantzerin hat ihren Mann verhext›, hieß es. ‹Er kann keine Frau mehr beschlafen.› Ich sage Euch, diese Gerüchte hat Siferlin in die Welt gesetzt, er hat doch den Streit mit angehört. Catharina, Ihr müsst Euch zur Wehr setzen, Ihr müsst Siferlin vor Gericht zur Rede stellen.»
«Unsinn. Das ist doch nur dummes Geschwätz. Die Leute auf der Straße zerreißen sich doch über alles und jeden das Maul.»
«Aber was da geredet wird, ist eine handfeste Beleidigung. Ihr wisst doch, was es bedeutet, wenn man sich gegen Ehrverletzungen nicht verteidigt. Dann bleibt etwas hängen. Und Hexerei ist in diesen Zeiten eine der schlimmsten Anschuldigungen.»
Catharina wurde nachdenklich. Elsbeth hatte Recht. Doch was konnte sie tun? Vor Gericht würde sie denselben Leuten gegenübersitzen, die sonst bei ihnen aus und ein gingen. Sie würde sich nur lächerlich machen. Wie gut konnte sie jetzt die Mößmerin verstehen, die sich nach jedem neuen Ärgernis mit ihren Kindern kaum noch auf die Straße traute. Sie fühlte sich plötzlich eingesperrt in dieser Stadt, in der jeder mit jedem auf irgendeine Weise verbandelt war.
Trotz Elsbeths beschwörender Worte unternahm Catharina nichts. Sie vertraute auf ihre Erfahrung, dass Gerüchte aufkamen und ebenso schnell wieder vergingen. Die Frage, wie sie an der Seite ihres Mannes weiterleben sollte, beschäftigte sie viel mehr. Michael entschuldigte sich schon längst nicht mehr für seine Ausfälle. Nach jedem Streit ging er ihr erst einmal aus dem Weg, näherte sich ihr dann langsam wieder in seiner unverbindlichen Freundlichkeit, bis es zur nächsten Auseinandersetzung kam. Das konnte doch nicht ewig so weitergehen.
Sie suchte das Gespräch mit ihrer neuen Freundin.
«Ach, Catharina, was soll ich dir nur raten?» Margaretha Mößmerin sah sie aus ihren hellgrauen Augen bedrückt an. «Ich denke, wir Frauen haben größere Lasten zu tragen, als sich die Männer vorstellen können – ich mit meinen Kindern, du mit deinem Ehemann. Wir müssen uns fügen, sonst sind wir unser Leben lang unglücklich.» Sie dachte einen Moment lang nach. «Meine Lage ist anders als deine. Jacob und ich verstehen uns im Großen und Ganzen gut – wenn es Widerworte gibt, dann wegen der Kinder. Vielleicht solltest du ein wenig zurückhaltender sein. Ich bewundere zwar deine Offenheit, aber ich glaube auch, du bist zu aufbrausend. Ein Mann wie Michael verträgt das nicht. Versuch doch, im Alltag ein bisschen nett zu ihm zu sein, und wenn du merkst, er ist wieder betrunken oder sucht Streit, dann geh ihm aus
Weitere Kostenlose Bücher