Die Hexe von Freiburg (German Edition)
dem Weg.»
Catharina fand diesen Ratschlag nicht besonders hilfreich. Warum sollte immer sie es sein, die nachgab und für Harmonie sorgte? Dennoch gab sie sich fortan Mühe, keinen Anlass mehr für Streitereien zu bieten. Leider machte Michael es ihr nicht eben leicht.
Er mischte sich mehr und mehr in ihren Alltag und schränkte durch teilweise lächerliche Vorschriften ihren Handlungsspielraum ein. Manchen seiner Anweisungen fügte sich Catharina um des lieben Friedens willen ohne Widerrede, wie beispielsweise seinem neuesten Einfall, dass er die Kleidung für seine Frau aussuchen wollte, wenn wichtige Gäste eingeladen waren.
«In meiner Position kann ich es mir nicht leisten, wenn sich die Leute darüber lustig machen, dass meine Frau wie ein Hirtenmädchen herumläuft.»
Das war natürlich maßlos übertrieben, doch Catharina ließ es achselzuckend geschehen, wenn er an Tagen, an denen Besuch angekündigt war, ihre Kleiderkammer inspizierte und ihr die seiner Meinung nach passende Kleidung zusammenstellte. Was soll’s, dachte sie, dann kann er mir hinterher jedenfalls keine Vorwürfe machen.
Andere Dinge fand sie weitaus erniedrigender. So machte er es sich irgendwann zur Gewohnheit, sie beim Frühstück nach ihren Plänen für den kommenden Tag auszufragen. Was ihm nicht passte, versuchte er zu verhindern.
«Es kommt gar nicht infrage, dass du ins Schneckenwirtshaus gehst. Meine Frau in dieser Spelunke! Entweder kommt Mechtild hierher, oder ihr seht euch überhaupt nicht mehr.»
Ein andermal verbot er ihr, allein auf den Markt zu gehen.
«Dass das klar ist: Du nimmst Elsbeth mit. Andere Bürgersfrauen schleppen auch nicht ihre Einkaufskörbe selbst durch die Gegend. Du bist doch kein Packesel.»
Die Begründungen für seine Vorschriften waren immer dieselben: Eine Bantzerin tut dies nicht, eine Bantzerin tut das nicht. Dabei hatte er selbst keinerlei Hemmungen, sich dem Gerede der Leute auszusetzen. So besuchte er inzwischen regelmäßig die Hübschlerinnen im Frauenhaus oder lud die gesamte Mannschaft seiner Schlosserei ins Schwabsbad ein. Dort wurde nicht nur gebadet, sondern auch ausgiebig gezecht und gehurt.
Das alles nahm Catharina mit einem Gleichmut hin, der sie selbst überraschte. Doch eines Tages kam es zu einem Vorfall, der das Maß ihrer Geduld überstieg. Catharina hatte schon seit vielen Monaten nichts mehr von Lene gehört, und sie fragte sich, ob ihrer Base etwas zugestoßen sei. Sie beruhigte sich damit, dass Lene mit ihrer großen Familie sicher alle Hände voll zu tun hatte. Es war ein herrlicher Frühlingstag, als Elsbeth und Catharina gerade das Haus verlassen wollten und in der Tür auf einen Boten trafen. Zu Catharinas größter Freude brachte er einen Brief von Lene. Sie gab dem Jungen, den sie nie vorher gesehen hatte, ein großzügiges Trinkgeld und fragte ihn:
«Was ist denn mit dem älteren Mann, der sonst die Briefe gebracht hatte? Arbeitet er nicht mehr als Bote?»
«Das ist mein Onkel. Der Arme hat sich das Bein gebrochen bei einem Sturz vom Pferd. Aber es geht ihm schon besser.»
Ungeduldig, wie Catharina war, brach sie gleich an Ort und Stelle das Siegel auf und überflog die ersten Sätze.
«Liebe Catharina, geht es dir gut? Ich mache mir große Sorgen um dich, da du meine letzten Briefe nicht beantwortet hast …»
Catharina ließ das Blatt sinken. Da stimmte doch etwas nicht. Sie hielt den Jungen zurück, der sich eben auf den Weg machen wollte.
«He, Bursche, warte. Kannst du uns zu deinem Onkel führen?»
Der Junge nickte. «Er wohnt ganz in der Nähe, neben der Glockenapotheke.»
Zunächst hatte der Mann auf Catharinas Fragen beharrlich geschwiegen, doch nachdem sie eine hübsche Summe Geldes auf den Tisch gelegt hatte, fand er die Sprache wieder und gab alles zu. Michael hatte ihn dafür bezahlt, dass er alle Briefe, die an Catharina gerichtet waren, bei ihm im Zunfthaus ablieferte.
«Ihr wisst doch, wie wenig ein Bote verdient», sagte er voller Scham. «Da war das Angebot Eures Mannes zu verführerisch.»
Catharina drohte, ihn bei Gericht anzuzeigen, wenn er weiterhin Nachrichten an sie unterschlagen würde.
«Ihr bringt von nun an alle Briefe an mich zur Wirtin des Schneckenwirtshauses, verstanden?»
Auf dem Heimweg fragte sie die Hausmagd, ob sie Michael zur Rede stellen sollte.
«An Eurer Stelle», sagte Elsbeth, «würde ich schweigen, sonst kommt es nur zu einem neuen Streit, und Euer Mann würde andere Mittel finden, um Eure Briefe
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