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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Aus der kleinen Sofie ist eine erwachsene Frau geworden, die ihrer Mutter aufs Haar gleicht. Leider zeigt sie dieselben Anzeichen von Schwäche und Gebrechlichkeit. Ich habe große Angst, dass es mit ihr das gleiche Ende nimmt wie mit ihrer Mutter. Andreas hingegen ist ein Bär von einem jungen Mann, aber ein Tunichtgut. Er hat jetzt zum zweiten Mal seine Stellung als Lehrling hingeworfen, und ich mache mir Vorwürfe, weil ich mich nie genügend um ihn gekümmert habe.
    Doch was erzähle ich dir das alles? Ich fürchte, du hast noch viel größeren Kummer, und ich werde das schlimme Gefühl nicht los, dass ich dazu beigetragen habe. Wie gern wüsste ich mehr von dir, wie gern würde ich dich wiedersehen. Ich finde keine Ruhe, solange ich nicht weiß, dass du mir verzeihst. Ich habe kein Recht mehr, etwas von dir zu fordern, dennoch: Selbst wenn du mir nicht zurückschreiben willst oder kannst, so lass mir doch bitte ein Zeichen zukommen, ob du diesen Brief erhalten hast. Du bist immer noch ein Teil meines Lebens. In Liebe, Christoph.»
    Fast zärtlich faltete Catharina die Blätter zusammen und wickelte sie sorgfältig wieder in das braune Papier ein. Lange Zeit blieb sie reglos auf dem Bett sitzen und dachte über das Gelesene nach. Dann musste sie an ihren schrecklichen Traum denken und schüttelte den Kopf.
    Nein, Christoph, jetzt ist es zu spät.

25
    Catharina sah aus dem Fenster. Auf die Große Gasse fielen dichte Schneeflocken. Es dämmerte bereits, und die Marktleute packten ihre Sachen zusammen.
    Sie würde also bald Witwe sein. Der Stadtarzt hatte von zwei, drei Tagen gesprochen, die Michael nach seinem letzten Herzanfall noch zu leben hatte.
    «Wasser … Durst …», hörte sie seine brüchige Stimme sagen. Sie drehte sich um. Wie er da so auf dem Bett lag und mit fiebrigen Augen an die Decke starrte, löste er keinerlei Mitgefühl in ihr aus. Sie fühlte überhaupt nichts mehr, seit der Arzt vor einigen Minuten das Haus verlassen hatte, weder Trauer noch Angst. Seltsamerweise auch keine Erleichterung, obwohl sie sich diesen Moment schon so häufig erhofft hatte.
    Anstatt Elsbeth zu rufen, ging sie selbst in die Küche und füllte den Krug mit frischem Wasser. Als sie zurückkam, hatte er versucht, sich aufzurichten, und dabei war das Federbett zu Boden gerutscht. Sie deckte ihn wieder zu, gab ihm zu trinken und setzte sich auf den Stuhl neben seinem Bett. Er hustete und brummte etwas. Sie verstand ihn nicht, doch es klang so unwillig wie immer. Regungslos saß sie da und beobachtete die Schneeflocken, die ans Fenster schwebten, sich dort festsetzten und dabei langsam auflösten. Ihre Gedanken kreisten immerzu um dieselbe Gewissheit: dass die mühseligste Phase ihres Lebens bald zu Ende sein sollte. Was danach kam, konnte sie sich nicht vorstellen. Über zwanzig Jahre hatte sie an der Seite dieses Mannes gelebt, im Schatten seines Erfolgs, sich als Frau Magistrat anreden lassen. Wie viele Menschen hatten sie beneidet um dieses behäbige Leben, um diesen beeindruckenden Mann, dem jeder Respekt zollte, selbst dann noch, als er letztes Jahr wegen Unterschlagung in Untersuchungshaft saß. Angesichts seines hohen Alters und seiner Verdienste im Rat der Stadt war er begnadigt worden. Sein Wort besaß Gewicht, im Rat wie in der Zunft – davor aber, wie er sie, seine eigene Frau, immer wieder gedemütigt und gequält hatte, hatten alle die Augen verschlossen.
    Der alte Zorn stieg wieder in ihr auf: Hatte sie denn zu viel gewollt? Durfte sie als Frau nicht erwarten, wichtige Schritte selbst bestimmen zu dürfen? Wie gespannt war sie als junges Mädchen auf ihre Zukunft gewesen – und wie hatte sie sich in den letzten zwanzig Jahren gestaltet?
    Fremde Städte und Länder besuchen, einmal im Leben das Meer oder wenigstens den Bodensee sehen, andere Sprachen lernen, Bücher lesen, ohne deswegen gedemütigt zu werden, mit den Menschen zusammen sein, die man als Freunde betrachtet, ohne sich deswegen rechtfertigen zu müssen – waren das alles zu hohe Erwartungen gewesen?
    Ach, diese Ehe bedeutete nur viele verlorene Jahre. Nicht das Geringste hatte dieser Mann, der da neben ihr röchelte, einlösen können, nicht einmal Kinder hatte er ihr machen können, geschweige denn ihre Lust befriedigen.
    Sie starrte in die Dunkelheit und hörte dem eintönigen Singsang des Nachtwächters zu, der unten auf dem Fischmarkt die Lampen ansteckte.
    Irgendwann musste sie eingeschlafen sein. Als sie am nächsten Morgen erwachte,

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