Die Hexe von Freiburg (German Edition)
besser gar nicht geboren. Doch Gott hat sie gestraft für ihre Wollust: Ich kam mit einem verkrüppelten Bein auf die Welt, und sie verfiel langsam dem Wahnsinn. Sie hat mich vom Tage meiner Geburt an gehasst. Diese verfluchte Hure!»
Er sah sie aus verschwommenen Augen an.
«Und Ihr gleicht dieser Ausgeburt aufs Haar. Ihr seid ebenso schön und ebenso gefährlich.» Er schwankte auf sie zu, sank vor ihr zu Boden und umklammerte ihre Hüften. «Gebt mir, was Ihr jedem hergelaufenen Mannsbild gebt. Macht Eure verdammten Schenkel breit, ein einziges Mal nur will ich wissen, was das Verderben so schön macht. Auch ein hinkender Bastard hat eine Rute, die zustoßen kann.»
Catharina versuchte, sich aus der Umklammerung zu lösen. Wie ein Schraubstock hielt Siferlin sie fest und wühlte seinen Kopf zwischen ihre Schenkel. Am liebsten hätte Catharina diese Schmeißfliege erwürgt. Sie holte tief Luft, griff Siferlin unter die Achseln und zog ihn mit einem Ruck hoch. Dann tätschelte sie ihm, gegen ihren Ekel ankämpfend, wie einem kranken Tier besänftigend den Rücken. Tatsächlich, er entspannte sich und ließ sich willig zu seinem Stuhl führen. Seine Stirn war schweißnass.
«Legt Euch am besten gleich schlafen. Ich muss jetzt gehen.» Mit raschen Schritten erreichte sie die Tür. Da brüllte er ihr nach:
«Du hast mich verhext, du dreckige Dirne! Genau wie den armen Bantzer!»
Sie ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und rannte hinaus auf die Gasse. Dieser Mensch war krank im Kopf. Benommen lief sie durch die einsetzende Dämmerung nach Hause, wo schon Barbara, Elsbeth und Anselm um den Küchentisch saßen und auf sie warteten.
«Ihr seht ja aus, als wärt Ihr eben mit dem Gottseibeiuns persönlich zusammengestoßen», flachste Anselm.
«So ähnlich war es auch.» Sie berichtete in wenigen Worten von ihrem Besuch bei Siferlin.
«Beruhigt Euch erst ein wenig und trinkt von Anselms selbst gebrautem Bier. Es ist hervorragend.» Elsbeth stellte ihr einen Krug hin.
Doch sie fühlte sich schon besser. Sie hatte herausgefunden, was sie wissen wollte. Zugleich war ihr klar, dass sie sich weiterhin vor Siferlin in Acht nehmen musste.
«Zur Feier des Tages habe ich nämlich ein Fässchen Starkbier gebraut», sagte Anselm und hob seinen Krug.
«Was feiern wir denn?»
«Eure glückliche Wiederkehr und dass die Anzeige von diesem Widerling nichts gefruchtet hat. Na ja, und außerdem freue ich mich, dass unsere Juristenfakultät doch noch nicht ganz den Verstand verloren hat. Während Eurer Reise wurden nämlich schon wieder zwei Frauen wegen Hexerei eingesperrt, zwei Bürgersfrauen, die von der Witwe des Fischers unter der Folter genannt worden waren. Wie es inzwischen ja üblich ist, wurden die Verhörprotokolle und die Zeugenaussagen einem Gremium von Rechtsgelehrten vorgelegt. Und die haben einstimmig auf Freispruch plädiert.»
«Und was ist mit den beiden Frauen geschehen?»
«Sie wurden auf freien Fuß gesetzt und haben am selben Tag die Stadt verlassen. Hier wären sie wohl nicht mehr glücklich geworden. Hoffen wir, dass die Zeit der Hexenjagd in Freiburg jetzt endgültig vorbei ist.»
Anselm merkte, dass durch seine Worte die Stimmung am Küchentisch nachdenklich geworden war. Betont munter prostete er Catharina zu und rief:
«Jetzt soll uns Catharina endlich von ihrer Reise erzählen. Gestern Abend ist sie ja gleich mit meinem lieben Vetter in der Kammer verschwunden.»
Catharina lächelte. «Also gut. Aber vorher verrätst du mir noch, wie du in so kurzer Zeit gelernt hast, Starkbier zu brauen, und dazu noch ein so würziges.»
«Hmm, Euch kann ich wohl keinen Bären aufbinden», sagte er und warf einen verlegenen Blick auf Elsbeth und Barbara. «Ich habe es gekauft.»
30
Die nächsten Monate verliefen ruhig und ohne Aufregung. Siferlin hatte seit ihrer unangenehmen Begegnung nichts mehr von sich hören lassen. Christoph erschien alle vier, fünf Wochen in Freiburg, um zwei Tage später mit Stöcklis Gewürzlieferung am Sattel zurückzureiten. Das Schönste: Marthe-Marie schrieb ihr. Alle Briefe begannen mit «Meine liebe Lieblingstante!», und sie berichtete mal kindlich, mal erstaunlich reif über Ereignisse und Erlebnisse, die ihr wichtig erschienen, beschwerte sich darüber, wie streng Lene manchmal sein konnte, oder beschrieb auf komische Art, wie ein Nachbarsbursche ihr den Hof machte. Einmal erläuterte sie einen ganzen Brief lang, warum sie Naturforscherin werden wolle und dass sie
Weitere Kostenlose Bücher