Die Hexe von Freiburg (German Edition)
Gesicht.
«Ist etwas?», fragte Catharina erstaunt.
«Na ja, seitdem Ihr fast jeden Abend über diesem seltsamen Brett sitzt, seid Ihr nicht mehr ansprechbar. Das ist ja eine Stille hier im Haus wie auf dem Kirchhof.»
Verdrossen stapfte sie in die Küche zurück.
«Weißt du was, Anselm? Wozu gibt es Würfel und Karten – dabei können alle mitspielen. Übermorgen ist Weihnachten, bis dahin besorge ich Würfel, und dann machen wir alle zusammen ein großes Fest.»
Sie trafen sich im Haus zur guten Stund, um gemeinsam zur heiligen Messe zu gehen: Anselm, die beiden Mägde, Margaretha mit ihrem Enkelkind, Beate – selbst Gervasius, Beates Mann, erschien, der später, während des Hochamts, ständig einnickte und von Beate mit heftigen Rippenstößen geweckt werden musste. Nur Christoph fehlt, dachte Catharina wehmütig. Nach dem Kirchgang holte Catharina ihren besten Kaiserstühler Wein aus dem Keller, und Barbara servierte ein Festessen, für das sie den ganzen Tag in der Küche gestanden hatte. Noch vor dem Nachtisch verabschiedete sich Gervasius mit der Entschuldigung, er habe die ganze Nacht in der Backstube gearbeitet und sei hundemüde.
«Besser so», sagte Beate. «Der alte Miesepeter hat ohnehin nichts für Spiele übrig.»
Nachdem sie schon etliche Karaffen Wein geleert hatten und des Würfelns überdrüssig geworden waren, schlug Beate vor, Personenraten zu spielen. Anselm offenbarte unerwartet komisches Talent, und sie lachten Tränen über seine Darbietungen.
«Das bist eindeutig du, Beate!», rief Catharina. «Deine schusselige Art und dein freches Grinsen, wenn wieder einmal etwas zu Bruch gegangen ist.»
Beate tat empört. «Ich und schusselig! Ich bin die Geschicklichkeit in Person!»
«Ihr dürft mir nicht böse sein, aber Catharina hat richtig geraten.» Anselm trat auf sie zu. Seine Augen glänzten vom Spieleifer und vom Alkohol. Er legte seine schmächtigen Arme um Beates Schultern und gab ihr einen herzhaften Kuss. Die anderen klatschten so laut, dass Anneli, die mit dem Kopf in Elsbeths Schoß eingeschlafen war, wieder erwachte.
«Jetzt wird’s Zeit für uns zu gehen», sagte Margaretha und nahm Anneli bei der Hand. «Es war ein wunderbares Fest, ein bisschen laut, wie immer, aber langsam gewöhne ich mich daran.»
Catharina begleitete die beiden hinunter auf die Gasse, um nach einem Fackelträger Ausschau zu halten. Da öffnete sich im Nebenhaus die Tür und der Leinenweber Schmitz, mit dem sie seit ihrem Einzug noch keine drei Worte gewechselt hatte, schaute wütend heraus.
«Ich sag’s Euch, Stadellmenin, wenn bei Euch nicht augenblicklich Ruhe ist, hol ich die Stadtwache. Bei dem Krach kann ja kein Mensch schlafen!»
Dann knallte er die Tür wieder zu.
Als Catharina die Küche betrat, waren Elsbeth und Barbara bereits am Aufräumen, und Anselm kniete vor Beate, hielt ihre Hand und sang mit lauter Stimme ein Minnelied. Beate mimte mit geschlossenen Augen und zurückgeworfenem Kopf eine edle Burgfrau.
«Schluss jetzt», rief Catharina. «Nachbar Schmitz will uns die Stadtwache auf den Hals hetzen.»
«Spielverderber!», sagte Beate. Sie strich Anselm noch einmal über die roten Locken, flüsterte ihm etwas ins Ohr und stand dann auf.
«Dann gehe ich eben. Aber ihr müsst mir versprechen, dass dies nicht der letzte Spieleabend war.»
Als Catharina sie begleiten wollte, winkte sie ab.
«Die paar Schritte über die Straße werde ich noch allein schaffen. Gute Nacht, ihr Lieben.»
«Ich gehe auch zu Bett», sagte Anselm. «Gute Nacht!»
«Die Müllerin verdreht dem Jungen noch völlig den Kopf», brummte Barbara, als Anselm verschwunden war.
Catharina zuckte die Schultern. «Sie wird schon nicht zu weit gehen», sagte sie und wollte sich einen Becher Wasser einschenken, doch der Krug war leer.
«Ich hole noch Wasser aus dem Keller und geh dann auch ins Bett. Lasst das Geschirr stehen, den Abwasch können wir auch morgen machen.»
Mit dem Talglicht in der Rechten, dem leeren Krug in der Linken tappte sie vorsichtig das dunkle Treppenhaus hinunter. Als sie an der Tür zum Sudhaus vorbeikam, hörte sie ein Poltern. Sie erschrak. Doch dann sagte sie sich, dass sicher wieder eine dieser halbwilden Katzen eingesperrt war. Sollte sie nachsehen? Vor der Messe hatte sie die Tür abgeschlossen, und der Schlüssel hing oben in der Küche. Leise stellte sie Krug und Lampe auf den Treppenabsatz und schlich in den Garten. Von dort konnte man durch ein kleines Fenster ins Sudhaus
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