Die Hexe von Freiburg (German Edition)
dazu eines Tages in die Neue Welt reisen würde.
Anselm hatte nach der Sommerpause ein wenig widerwillig sein Studium wieder aufgenommen. Hin und wieder brachte er Kommilitonen mit nach Hause, mit denen er sich in die Haare geriet, sobald es um juristische oder theologische Fragen ging. Seine Hoffnung, dass sich der Hexenwahn legen möge, wurde nicht enttäuscht: Auch wenn in anderen Städten und Ländern das Morden weiterging, in Freiburg kam es zu keinen Anzeigen und Verhaftungen mehr. Hatte Anselm keine Lust zum Lernen, half er Catharina im Sudhaus, die nach anfänglicher Experimentierfreude das Brauen als zwar notwendigen, aber lästigen Broterwerb betrachtete. Um die Arbeit ein wenig interessanter zu gestalten, brachte Anselm ihr ein paar Worte Latein bei, wobei Catharina daran zweifelte, dass dies das Latein der Kirche und der Hochschule war, denn meist handelte es sich um unflätige oder anzügliche Redewendungen.
Catharinas ganze Liebe galt, zu Barbaras großer Freude, inzwischen dem Garten. Die Planung des Haushalts hingegen hatte sie längst in die Hände der beiden Frauen gelegt.
«An uns verdienen die Gemüsehändler nichts», frohlockte die Köchin. «So wie das alles sprießt im Garten!»
Was Catharinas Pflanzen betraf, durfte ihr niemand dreinreden. Für die Beete hatte sie ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem angelegt, achtete peinlich genau auf Schädlinge und Unkraut und stellte Überlegungen an, welche Pflanzen zueinander passten und welche keine Nachbarschaft miteinander duldeten. Einmal versetzte sie mehrmals hintereinander einen Stachelbeerbusch, mit dem Ergebnis, dass er schließlich einging. Ihre Beobachtungen und Gedanken schrieb sie sorgfältig nieder.
«Wollt Ihr einmal ein Buch veröffentlichen?», fragte Anselm.
«Mach dich nicht lustig, Frauen schreiben keine Bücher. Das hier ist nur für mich gedacht. Außerdem bleibe ich dann mit dem Schreiben in Übung.»
«Ich meine es ernst», beharrte Anselm. «Hildegard von Bingen ist auch eine Frau und hat Bücher geschrieben – zum Beispiel über Kräuter und Gartenbau.»
Diese Bemerkung brachte Catharina auf die Idee, ihrer Freundin Margaretha Mößmerin Lesen und Schreiben beizubringen.
«Du bist verrückt», wehrte Margaretha ab. «Ich kann meinen Namen kritzeln, das reicht. Was soll ich da noch meinen alten Kopf martern.»
«Denken und Lernen hält jung. Außerdem hast du neulich selbst gesagt, dass dir manchmal die Decke auf den Kopf fällt, so allein mit Anneli, und dass du zu viel grübelst. Komm, lass uns gleich morgen damit anfangen, es wird dich ablenken.»
«Du kannst ein richtiger Quälgeist sein, Catharina. Aber gut, wir können es ja mal versuchen.»
«Fein. Dann besorge ich Papier und Feder für dich, und du kommst morgen Nachmittag mit Anneli zu uns.»
Catharina wusste, dass Anneli nur selten aus dem Haus kam, da Margaretha es nicht ertrug, wenn das kleine Mädchen wegen seiner Schwachsinnigkeit gehänselt wurde.
«Nein, ich möchte den Unterricht lieber bei mir zu Hause abhalten. Ich bin zwar gern für ein Stündchen bei euch, aber dann wird es mir zu umtriebig.»
Catharina seufzte. Diese Stubenhockerin. Aber Margaretha hatte nicht ganz Unrecht. Tatsächlich ging es abends und am Wochenende im Haus zur guten Stund oft turbulent zu, zumal es seit Oktober noch einen weiteren ständigen Gast gab: Beate Müllerin.
Beate und Catharina hatten sich vor Jahren einmal flüchtig kennen gelernt, da Beates Vater ebenfalls Magistratsmitglied war und seit einem Jahr zu den Zwölf Beständigen gehörte. In der Bäckerei gegenüber von Catharinas neuem Haus hatten sie sich wiedergesehen. Als Catharina dort Brot bestellen wollte, trat Beate aus der Backstube.
«Wir kennen uns doch – seid Ihr nicht die Witwe vom Zunftmeister Bantzer?»
Kaum waren die beiden Frauen ins Gespräch gekommen, empfanden sie Sympathie füreinander. Beate besaß viel von Lenes unbekümmerter Art. Obwohl sie bestimmt zehn Jahre jünger war als Catharina, hatte sie bereits zwei Ehemänner überlebt. Jetzt war sie mit dem Weißbäcker Gervasius Schechtelin verheiratet.
«Ich kann einfach nicht allein leben», erklärte sie ihrer neuen Freundin. «Und Kinder kann ich leider keine bekommen, seitdem ich als junges Mädchen einen schweren Unfall hatte. Aber das habe ich meinen Ehemännern natürlich nie verraten.» Sie kicherte.
Bald kam sie regelmäßig nach der Arbeit zu Catharina.
«Weißt du, Gervasius ist ein todlangweiliger Mensch, und dauernd
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