Die Hexe von Freiburg (German Edition)
ist er müde. Wenn ich den ganzen Tag mit ihm zusammen bin, brauche ich abends unbedingt Abwechslung.»
Anselm war hocherfreut über den Neuzugang in der «Weiberburg», wie er sein Zuhause inzwischen selbst nannte. Catharina entging nicht, dass Beate eine Schwäche für den Jungen entwickelte, die nichts mit der fürsorglichen Mütterlichkeit der anderen Frauen gemein hatte. Wenn Beate ihm bei ihren abendlichen Gesprächen einen Moment zu lange in die Augen schaute, eine Spur zu sanft seine Hand berührte und Anselms Blick einen verdächtigen Glanz annahm, fragte sich Catharina, ob Beate in ihrer Tändelei nicht zu weit ging. Diese Frau hätte vom Alter her fast seine Mutter sein können. Dabei war sie nicht einmal hübsch im herkömmlichen Sinne, dennoch ging ein mädchenhafter Zauber von ihr aus. Vielleicht lag es an ihren riesigen hellbraunen Augen und der frechen Himmelfahrtsnase oder an ihrem herzhaften Lachen – für Anselm schien sie jedenfalls die schönste Frau der Welt zu sein.
Catharina nahm ihre neue Freundin eines Tages beiseite.
«Ich gönne dir ja deine Späße mit Anselm, aber vergiss nicht, dass der Junge erst siebzehn ist. In diesem Alter sind die Burschen zu rasender Verliebtheit fähig. Ich habe keine Lust auf ein Liebesdrama in meinem Haus.»
Beate sah sie verdutzt an, dann lachte sie schallend.
«Meinst du im Ernst, Anselm würde sich in mich alte Frau verlieben? Ich wette mit dir, er hat längst irgendwo heimlich ein Mädel sitzen. Aber wenn es dich beruhigt: Ich werde künftig drei Schritt Abstand halten.»
Der Winter kam, und die Wege zwischen Freiburg und Villingen wurden unpassierbar. Catharina vermisste Christoph sehr, und die Kälte und Dunkelheit dieser Jahreszeit taten ein Übriges, um Catharinas Stimmung niederzudrücken. Beim Unterricht mit Margaretha war sie unkonzentriert, und von den gemeinsamen Abendmahlzeiten zog sie sich oft als Erste zurück. Sie, die ihr Leben lang nie ernsthaft krank gewesen war, litt jetzt häufig unter Kopfschmerzen.
«Wie können wir Euch denn ein bisschen aufheitern?», fragte Anselm sie besorgt. Catharina hatte längst entdeckt, dass sich hinter seiner oft aufbrausenden Art eine Verletzlichkeit verbarg, die ihn auch für das Leid anderer sehr empfänglich machte.
«Ach, lass nur, Anselm, wenn der verdammte Winter erst einmal vorbei ist, wird es mir schon wieder besser gehen.»
«Aber der Winter hat gerade erst angefangen, und Ihr könnt doch nicht monatelang den Kopf hängen lassen!»
Eines Abends kam Anselm etwas später als sonst nach Hause.
«Ich hab Euch etwas mitgebracht», sagte er geheimnisvoll zu Catharina und führte sie in die Essstube. Dort lag ein quadratisch zugeschnittenes Holzbrett, abgegriffen und an den Rändern angeschlagen, aber hübsch anzusehen mit seinen abwechselnd hellbraun und schwarz gefärbten Feldern.
«Was ist denn das?»
«Wartet, das ist noch nicht alles.»
Er zog aus seinem Beutel schwarze und hellbraune Holzfiguren, die meisten davon einfach gedrechselte Kegel, andere kunstvoll zu Pferdeköpfen, menschlichen Gestalten und zinnenbewehrten Türmen geschnitzt. Bedächtig setzte er die Figuren auf die einzelnen Felder.
«Das ist ein Schachspiel», erklärte er. «Das schönste Spiel, das ich kenne, und das beste Mittel gegen Langeweile an Winterabenden. Das ist der König», er hob die größte Figur in die Höhe. «Die wichtigste Figur, aber ansonsten ein Schlappschwanz, denn er kann sich kaum bewegen. Die Dame hier ist viel wendiger, so wie Ihr.» Er strahlte sie an.
«Das muss ja ein Vermögen gekostet haben!»
«Keine Sorge, ich habe es von einem Trödler bekommen, der in meiner Schuld stand.»
Dann erklärte er ihr geduldig die Regeln, bis Catharina ihn unterbrach.
«Hör auf, Anselm, das verstehe ich nie! Es ist lieb gemeint, aber ich glaube, ich bin für dieses Spiel zu dumm.»
Es dauerte keine Woche, bis Catharina die Regeln beherrschte und immer mehr Gefallen an den abendlichen Partien mit Anselm fand. Sie verlor zwar jedes Mal, doch sie merkte, wie gut ihr die gezielte Aufmerksamkeit tat, die dieses Spiel erforderte. Außerdem war das die einzige Möglichkeit, Anselm über Stunden hinweg zum Schweigen zu bringen.
«Remis!», rief sie eines Abends so laut, dass Barbara erschrocken den Kopf aus der Küche streckte. Freudig erklärte sie der Köchin, dass dies Gleichstand bedeute, dass sie also zum ersten Mal nicht verloren habe.
«Wie schön für Euch», murrte Barbara und verzog unwillig das
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