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Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Die Hexe von Freiburg (German Edition)

Titel: Die Hexe von Freiburg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Aderlass. Ist die Krankheit weiter fortgeschritten wie hier beim Stadellmen, dann ermüdet der Aderlass den Kranken zunächst. Aber nur so hat der Körper die Möglichkeit, mit sich wieder ins Reine zu kommen. Gleichzeitig hilft Schwitzen – dabei sollte der Körper allerdings sehr sauber gehalten werden.» Ein wenig hilflos blickte er bei diesem Satz zu Marthe. «Und wenn gar nichts hilft, müsste ich eine Fontanelle setzen. Aber das wollen wir nicht hoffen.»
    Der Bader schien erschöpft, denn für seine Verhältnisse hatte er eine lange Rede gehalten. Aber er kannte Catharina von klein auf und hatte wohl Mitleid mit ihr, wie sie da zusammengesunken auf dem Bettrand kauerte.
    «Was ist das, eine Fontanelle setzen?», fragte Catharina leise, als der Bader gegangen war.
    «Neben einer besonders stark entzündeten Stelle wird ein tiefer Schnitt gemacht, damit die schädlichen Säfte abfließen können. Wenn du mich fragst: Es nützt nicht viel.»
    Mühsam hob Hieronymus den Kopf. «Einer meiner Zunftbrüder ist daran gestorben.»
    Catharina schrak zusammen, weniger über diesen Satz als über die gebrochene Stimme ihres Vaters.
    «Kennst du noch den Spruch unserer Großmutter Agnes?», fuhr er fort. «Wer sind die freiesten Leute? Henker und Arzt, weil sie fürs Töten nicht bestraft, sondern entlohnt werden.»
    Dann verlor er das Bewusstsein.

    Eine Woche später schien der Vater über den Berg. Er war wieder bei sich und freute sich über die Besuche seiner Tochter und seiner Schwester. Hemd und Bettzeug waren sauber, und das Krankenzimmer wurde offensichtlich regelmäßig gereinigt.  Marthe hatte in der Woche zuvor unter vier Augen mit Hiltrud gesprochen und ihr mit scharfen Worten nahe gelegt, ihren Mann besser zu versorgen, ansonsten werde sie sich an die Zunft und an das Gericht wenden.
    Catharina ahnte, dass es ihrem Vater ein Grauen sein musste, den ganzen Tag im Bett zu liegen, abhängig von den Launen seiner Frau. Sooft es möglich war, besuchte sie ihn und brachte frisches Obst und Säfte zur Stärkung mit. Catharina genoss das Alleinsein mit ihrem Vater, wenn es sie auch sehr schmerzte, mit ansehen zu müssen, wie er immer hinfälliger wurde. Er redete kaum, bat stattdessen seine Tochter, von ihrem Alltag zu erzählen, von ihrer Arbeit, den Gästen, von Lene und Christoph. Meist schlief er dabei irgendwann ein.
    Es wurde Hochsommer, bis er endlich wieder arbeiten konnte, wenn auch zunächst nur stundenweise. Das Geld war längst knapp geworden, und er hatte sich an die Zunft mit der Bitte um Unterstützung gewandt. Die Zunftversammlung jedoch lehnte jegliche Geldzuwendungen ab, da sich herausgestellt hatte, dass Hiltrud noch über ein beträchtliches Erbe von ihrem ersten Mann verfügte. Hieronymus hatte davon nichts gewusst, und es kam zu einem hässlichen Streit zwischen ihnen. Hiltrud musste sich dem Beschluss der Zunft beugen und ihr Erbe für den täglichen Unterhalt einbringen.
    Catharina und Christoph hatten sich mittlerweile versöhnt, die alte Ungezwungenheit stellte sich aber nicht wieder ein. Wo die Arbeit es erforderte, waren sie zusammen, ansonsten kümmerte sich Catharina um ihren Vater oder hielt sich an Lene und die Zwillinge. Manchmal wollte sie einfach allein sein. Über den Vorfall auf dem Lehener Bergle hatten sie und Christoph nie wieder ein Wort verloren. Einzig und allein ihrer Base hatte sie irgendwann Einzelheiten über jenen Nachmittag erzählt und ihrer Enttäuschung über Christophs Verhältnis mit der Magd Luft gemacht.
    «Das hat doch überhaupt nichts zu bedeuten», hatte Lene sie zu trösten versucht. «Weißt du denn nicht, dass die Müllersmagd für sämtliche Burschen im Dorf die Beine breit macht?»
    Catharina kam sich in diesem Sommer zum ersten Mal alt und erwachsen vor. Ihr Bild von der Welt hatte sich verändert. Sooft sie Zeit hatte, zog sie sich an ihren Lieblingsplatz zurück, einen kleinen Buchenhain am Dreisamufer, gleich hinter Marthes Obstgarten. Dorthin kam keine Menschenseele, dort saß sie ungestört und konnte die Flöße und Kähne beobachten und nachdenken.
    Christoph wusste um diesen Ort, denn er hatte Catharina in der ersten Zeit nach jener unglückseligen Umarmung auf Schritt und Tritt beobachtet. Er nahm es hin, dass sie dort allein sein wollte, wenn er auch zu gern gewusst hätte, worum sich ihre Gedanken drehten.
    Ein einziges Mal nur wagte er es, Catharina an ihrem geheimen Ort aufzusuchen. Die heißen Tage waren dem Altweibersommer gewichen,

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