Die Hexe von Hitchwick
Doch da war nichts mehr, alles still. Eigentlich wollte ich gar nicht hoch gehen und nachsehen, ich habe schließlich genug Horrorfilme gesehen. Dann fiel mir aber ein, dass bei mir im Zimmer das Fenster offen war. Ich befürchtete, dass eine Eule oder eine von den Katzen, die hier rumstrolchen, in meinem Zimmer alles auseinander nimmt. Als ich unten an der Treppe stand, hörte ich wieder ein Poltern, aber dieses Mal sehr viel leiser. Ich sah schon mein Regal komplett leergeräumt. Also rannte ich die Stufen rauf, legte die Hand auf den Türgriff und bekam den Schreck meines Lebens. Der Türgriff war plötzlich zum Lichtschalter geworden. Kaum hatte ich ihn berührt, ging das Licht aus, im ganzen Haus. Noch bevor ich die Dunkelheit richtig wahrnehmen konnte, wurde die Tür aufgerissen.
Der Ruck hat mir halb die Schulter ausgekugelt. Eigentlich weiß ich gar nicht genau, was dann geschehen ist. Ich bin durch den plötzliche n Ruck ins Zimmer gestolpert und aufs Knie geknallt. Und ...“, Leonie brach ab, überlegte einen Augenblick, tauchte in die Dunkelheit ihres Zimmers ein.
„Eigentlich spürte ich es eher, als dass ich irgendwas gesehen habe. Ich war mir sicher, da steht etwas, direkt vor mir, auch wenn ich erst nichts erkennen konnte. Und dann – ich weiß nicht genau, ich bin aufgestanden und runtergerannt, ins Wohnzimmer zu meinem Handy. Nein stimmt nicht. Ich bin zur Tür. Ich wollte nur raus, nur weg. Dummerweise ließ sie sich nicht öffnen. Dann war da wieder ein Poltern, ein Knacken und ich rannte ins Wohnzimmer, schnappte mir mein Handy und kauerte mich hinters Sofa. Ich wollte nicht, dass es mich hört, deswegen die SMS. Und da habe ich so ungefähr hundert Jahre gesessen, bis ich das Klopfen hörte.“
Mehr konnte und wollte Leonie nicht erzählen, dessen waren sich auch Sug und Morgan bewusst. Sie musste schreckliche Angst gehabt haben, als sie wartend und wahrscheinlich betend hinter dem Sofa gekauert hatte.
Sugs Wut auf Morgan und ihren wortlosen Abgang verrauchte. Es war gut gewesen, dass sie so schnell wie möglich losgefahren war. Jede Sekunde musste Leonie wie eine unendliche Qual vorgekommen sein, allein mit diesem Schatten und der Angst. Sagen würde sie es Morgan jedoch nicht. Morgan hatte sich in der letzten Zeit zu viel geleistet, da würde sie ihr falsches Verhalten nicht auch noch loben, selbst wenn es eigentlich richtig gewesen war.
„Hat der Schatten mit dir gesprochen?“, fragte Morgan.
„Nein! Kann er das denn?“, fragte Leonie.
„Ich bin mir nicht sicher.“
Was ging in ihrem Kopf vor, fr agte sich Sug. Morgan hatte offensichtlich einen Verdacht, oder womöglich die Lösung des Rätsels?
Nein, das eher nicht, sonst würde sie nicht so ausweichend antworten. Es klang wie ein Verdacht, den sie erst noch mit Beweisen untermauern wollte. Aber vielleicht wollte sie auch nur den Eindruck erwecken, um Leonie keine konkrete Antwort geben zu müssen. Aber warum?
Im Grunde hätte Leonie von alle dem gar nichts wissen dürfen, nun war es anders gekommen und leider hatten sie kein “Blitz-Dings“, um das Gedächtnis der Leute zu verändern. Demnach war es vollkommen im Sinne der Gesellschaft, ihr so wenige Informationen wie möglich zu geben.
Irgendwas störte Sug an dieser Theorie. Morgan machte in letzter Zeit nicht gerade den Eindruck, als würde sie oft über die Regeln der Gesellschaft nachdenken.
Sie verschwieg etwas, um das Mädchen zu schützen. Aber wovor wollte sie Leonie beschützen? Vor dem Schatten?
Das machte keinen Sinn, sie hatte schließlich angedeutet, dass der Schatten ihr nichts tun wollte.
Was war es also dann?
Plötzlich schoss ein Gedanke durch ihren Kopf. Es war eine Mö glichkeit, vielleicht nur eine kleine, aber es war eine.
Sug wandte den Kopf zu Morgan und sah sie mit weit aufgerissenen Augen an.
War es das? Konnte das wirklich ihr Verdacht sein?
Morgan spürte den fragend-wissenden-Blick, der sich scheinbar in ihren Kopf bohrte, um eine Bestätigung in ihren Gedanken zu finden.
Morgan zügelte das Tempo, blickte zu Sug und nickte leicht, dann konzentrierte sie sich wieder auf die Straße und beschleunigte.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Leonie.
„Du machst gar nichts, außer dich auszuruhen!“, sagte Morgan.
Sug riss sich aus ihren Geda nken zurück, sie würde später darüber nachdenken können, jetzt war erst einmal wichtig, wie sie weiter vorgehen wollten.
„Wo arbeitet deine Mutter?“
„Von hier aus noch zwei Dörfer
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