Die Hexe von Paris
bissige Zunge hatte ihn moduliert. Eine gut formulierte Pointe konnte fast eine Woche lang gefeiert werden. Aber wenige waren so beliebt wie Madame de Montespans gewagte boshafte Bemerkungen. Sie hatte sogar Père de la Chaise, des Königs nachsichtigeren Beichtvater, der ihm sowohl die Kommunion als auch Mätressen zugestanden hatte, als chaise de conveniance bezeichnet. Die Bemerkung sprach sich über die Hintertreppen von Paris herum, doch der fuchsteufelswilde Kleriker wagte es nicht, sich dafür zu rächen, daß sein Name öffentlich in einen Nachttopf verkehrt worden war. »Männer lieben Witz bei einer Frau, ganz besonders der König«, erklärte sie einer Zuhörerschaft von Schmeichlern. Schwerfällige Mädchen nahmen Unterricht in Konversation und lernten witzige Aperçus auswendig, um sie in ausgelassener Gesellschaft verzweifelt hervorzukramen, ob sie angebracht waren oder nicht. »Ihre Transitionen sind miserabel«, mochte dann ein Verfechter des Witzes verächtlich sagen, und das arme Ding wurde aus der Gesellschaft derer, auf die es ankam, verbannt – es sei denn natürlich, sie war Erbin eines Vermögens. Dann trat sie, wie meine Gastgeberin, in ein Leben ständigen gesellschaftlichen Ringens ein, stets in der Anwesenheit klügerer Leute untergehend, während ihr Gemahl ihre Mitgift durchbrachte.
Das Brüllen der Menge unter dem Fenster verkündete die Ankunft des Schinderkarrens von Notre-Dame, wo die verurteilte Frau öffentlich Abbitte geleistet hatte. Die Marquise de Brinvilliers, von der Wasserfolter geschwächt, lag auf dem Haufen aus Stroh und Holz, auf dem ihr Leichnam verbrannt werden sollte. Sie drückte ein Kruzifix an den Busen, die geweiteten Augen waren in Todesangst verdreht. Sie trug das schlichte weite Hemd der Verurteilten und eine kleine weiße Musselinhaube auf dem offenen Haar. Der Scharfrichter stand hinter ihr auf dem Karren, das große Zweihänderschwert vor ihren Blicken verborgen. Ihr Beichtvater beugte sich, sie ermahnend, über sie; doch konnte niemand seine Worte verstehen. Bogenschützen bewachten den Karren und mühten sich, die Menge abzuwehren, dennoch kam das Gefährt nur langsam voran. Als die Marquise den Kopf von einer Seite auf die andere drehte, erspähte sie, halb von den Bogenschützen verborgen, einen Reiter, der den Karren begleitete. Sie zuckte zusammen und machte ihm das Zeichen der Teufelshörner. Ihr Beichtvater verdoppelte seine Anstrengungen, und sie wandte den Kopf vom Anblick des Reiters ab.
»Oh, das ist Desgrez, der da reitet – er vergewissert sich stets, daß ein Fall ordentlich zu Ende geführt wird«, sagte einer der Herren in unserer Begleitung.
»Desgrez? O ja, ich glaube, er war es, der sie im Ausland aufgespürt und jahrelang verfolgt hat. So habe ich es zumindest gehört. Verkleidet. Er hat ihr schriftliches Geständnis entdeckt.«
»Ein schlauer Teufel, wie? Nicht viele können einer Giftmischerin habhaft werden. Die meisten kommen ungestraft davon.«
»Die und die Wundärzte – andernfalls würden wir alle so lange leben wie Methusalem.« Comte de Longueval lachte allzu herzlich über seinen eigenen Witz.
»Vermutlich – sagt, glaubt Ihr, er wird ihn mit einem schweren Streich herunterbekommen? Ich wette um fünf Louisdors, daß er zwei braucht.«
»Topp, die Wette gilt. Der da drunten, das ist Samson selbst, kein Gehilfe, und er könnte einem Ochsen den Kopf mit einem Streich abschlagen. Wer bin ich, ein Geschenk von fünf Louisdors zurückzuweisen?«
Der Scharfrichter führte die Marquise die Stufen des Schafotts hinauf, und einen Augenblick stand sie und starrte zu den Fenstern empor, wo sich die Menschen drängten. Mir war, als ruhte ihr Blick kurz auf mir, dann sah sie fort. Der Scharfrichter schnitt ihr die langen Haare im Nacken ab und verband ihr die Augen. Ich schloß die Augen und öffnete sie erst wieder, als ein schwerer Plumps mir sagte, daß die Sache vollbracht war. Mit ihren Hellebarden um sich schlagend, machten die Bogenschützen einen Platz frei, auf dem aus Holz, Stroh und Öl ein riesiger Scheiterhaufen errichtet wurde. Die Leichenteile wurden auf das aufgeschichtete Holz gelegt, und Fackeln entfachten das Feuer.
»Das waren leicht verdiente fünf Louisdors. Man sah ihn nicht einmal zögern. Was habe ich Euch gesagt? Samson fehlt niemals. Man sagt, er läßt vor jeder Hinrichtung eine Messe lesen, damit seine Hand sicher ist.« Man hörte das Klimpern von Münzen, die den Besitzer wechselten, und einen
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