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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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daß sogar der König manipulierte Lotterien veranstaltete, »um die Damen nicht zu enttäuschen.« An den hoca -Tischen ging es so korrupt zu, daß das Spiel gesetzlich verboten worden war, was allerdings nichts fruchtete. Der Klatsch, den ich zu hören bekam, wenn ich zwischen den Tischen umherging, war mir mehr wert als jeder Gewinn. Er half mir, die Bilder, die ich im Glase sah, mit Sinn zu füllen.
    Die Comtesse bedachte mich mit einem ironischen Lächeln und kehrte an ihr Spiel zurück. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes erkannte ich den Duc de Vivonne, blendend in einem grünen Brokatwams, der mit seiner Herzogin bassette spielte. Von den Tischen schwebte eine Frauenstimme empor:
    »Und da wurde der König so wütend, er hat das ganze Fest abgesagt –«
    »Alles wegen der Präsente für die Damen?«
    »Sie waren selbst schuld. Warum mußten sie zu den Marktbuden im Palais laufen, um zu erkunden, wieviel er für die Fächer ausgegeben hatte – das Geschenk eines Königs ist über jeden Preis erhaben –«
    »Nun, ich habe gehört, daß er sie sehr wohlfeil bekommen hat und daß sie aus Knochen waren, nicht aus Elfenbein –« Unbrauchbar. Ich ging weiter. Der hohe Raum mit den vergoldeten Paneelen kam mir mit einem Mal sehr heiß vor. Mein Puder wird zerfließen, dachte ich und betrachtete mich in einem der großen Spiegel. Etwas Unheimliches geschah, und ich fühlte mich krank und benommen. Die Kartenspieler im Spiegel waren andere als die im Raum. Die Tische waren anders arrangiert, und die Herren trugen keine Pluderhosen, keine mit Bändern verzierten Wämser, keine dunklen Perücken, die Damen keine bauschigen Ärmel. Die seltsame Gesellschaft trug enganliegende, mit Spitzen besetzte Kleidung, und Männer wie Frauen hatten weiße Perücken; die der Herren waren kleiner als die eines Lakaien und von einem Band im Nacken zusammengehalten. Ich hatte dieses Bild nicht herbeigerufen. Ich hatte nicht gefühlt, daß es kam. Es war einfach da. O Gott, La Voisin hatte recht behalten. Das Opium hatte meine Gabe durchdrungen und verdorben.
    Schaudernd wandte ich meine Augen ab. Mach, daß es vergeht, lieber Gott. Ich schwöre, ich werde das Zeug aufgeben. An einem Tisch in der Nähe lachte eine Dame mit mehreren Schönheitspflästerchen, neben ihr stand ein Glas Weißwein. Ein Teil ihres Gesichtes spiegelte sich darin. Plötzlich verwandelte sich das Spiegelbild in einen Totenschädel. Mein Atem ging schnell. Was geschah? Die fremde Gesellschaft blickte aus dem Spiegel an der Wand herab. Der Schädel in dem Weinglas lachte. Ich glaubte zu ersticken. Vom Tisch unter dem Spiegel schnappte ich ein Gespräch auf.
    » – und kaum war Madame de Lionne eingezogen, da sah sie eines Tages, als sie sich an ihren Frisiertisch setzte, von der Decke Würmer fallen. Sie ließ die Decke öffnen, und das Geheimnis war gelöst.«
    »Und was haben sie gefunden?«
    »Den verwesenden Kopf eines Menschen. Sie verständigte die Polizei, die dem Receveur Général du Clergé, dem Seigneur de Pepautier, einen Besuch abstattete, der das Haus zuletzt bewohnt hatte.«
    »Das war Zeitverschwendung.«
    »Ja, er sagte einfach, es handelte sich um eine anatomische Eigentümlichkeit, die er studiert habe, und als er ihrer überdrüssig war, habe er sie unter den Dielen des Raumes über dem Ankleidezimmer eingeschlossen. Da war natürlich nichts zu machen. Sein Wort gilt weit mehr als das eines kleinen Emporkömmlings wie La Reynie. Aber wißt Ihr, was man sich in der ganzen Stadt erzählt?«
    »Könnte es sein –?«
    »Allerdings. Als er den Receveur Général von Languedoc vergiftete, um dessen Amt zu erhalten, verschwand der Diener, der das Gift trug –«
    »Dann war es sein Kopf.«
    »Es wäre doch möglich. Schließlich könnte die Polizei eine kopflose Leiche nicht identifizieren. Selbst wenn sie oben auf dem Fluß triebe.«
    Mir war zum Ersticken. Aus dem Raum fliehend, blickte ich zurück: Das Bild im Spiegel hatte sich in eine blutige Fläche verwandelt.
    »Soso, Madame, habt auch Ihr die Sinnlosigkeit des Spielens ohne Geld erkannt?« Die schleppende Männerstimme, die mich aus einer Nische ansprach, ließ mich zusammenzucken. Eine massige, finstere Gestalt löste sich aus dem Schatten. Es war Brissac, der Wüstling. Er stieß mich gegen die Wand und beugte sich dicht zu mir. Sein vorzeitig gerunzeltes Gesicht war von Unmäßigkeit gezeichnet.
    »Wir würden ein gutes Gespann abgeben, Ihr und ich.« Sein Atem stank wie

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