Die Hexe von Paris
verbreiteten, und einen runden, zugestöpselten Krug mit Wasser. Ich vollführte all die hübschen kleinen Gaukeleien, die ich ersonnen hatte, damit es mehr schien, als es war. Aber das Bild im Glas war schwer zu erkennen. Ein Mann in vollem Priesterornat las in einer unbekannten Kapelle die Messe. An der Wand über seinem Haupte war ein Kreuz – nein, es hing mit dem Kopf nach unten. Er wandte sich kurz um, und ich sah sein Gesicht im Profil. Die abscheuliche blaugeäderte Nase des Abbé Guibourg, der bei La Voisin zum Diner gewesen war. Er stellte den Kelch auf ein Tuch, und im trüben Licht der flackernden schwarzen Kerzen, die ihn umrahmten, sah ich, daß der Altar, auf dem das Tuch lag, die Lende einer nackten Frau war. Mehrere Gestalten, die ich nicht deutlich ausmachen konnte, scharten sich um den menschlichen Altar und den Zelebranten. Aus dem Schatten trat eine Frau hervor, die ein totgeborenes Kind trug. Guibourg schlitzte ihm die Kehle auf und ließ das Blut in den Kelch fließen, dann nahm er es aus wie einen Fisch und behielt seine Eingeweide zurück.
»Mein Gott«, flüsterte ich leise, »die schwarze Messe.« Bei dem abscheulichen Anblick stockte mir der Atem. Ich hörte mein Herz schlagen. Die Frau im Schatten, die den kleinen Leichnam gebracht hatte, wandte sich vom Altar ab, und ich sah ihr Antlitz. Es war La Voisin.
»Was ist? Was seht Ihr?« Die begierige, ängstliche Stimme hinter mir unterbrach meine Gedanken.
»Haucht das Glas nicht an. Ihr trübt sonst das Bild«, fauchte ich, und ich spürte, wie sie sich von ihrem Standort dicht an meiner Schulter entfernte.
Der abscheuliche Abbé vervollständigte die Zeremonie mit einer unanständigen intimen Handlung, die er an der Frau auf dem Altar beging. Als ich ihren bleichen, teigigen Leib sich im Lichte der Kerzen winden sah, fielen ihr die Haare aus dem Gesicht, und ich erkannte sie. Die Frau, die die schwarze Messe in Auftrag gegeben hatte und als Altar diente, war Madame de Montespan.
Ich blickte vom Glas auf und sah Madame de Montespans Gesicht über meinem. Sie versuchte, mit mir ins Wasser zu spähen.
Ihre Augen waren gierig, lüstern, ihr Mund zu einem Knötchen gespitzt. Ihre Lippen dünkten mich röter, ähnlich denen eines Kannibalen, der soeben Blut geleckt hat.
»Madame nimmt an einer Zeremonie teil –«, begann ich.
»Werde ich Herzogin?« flüsterte sie.
» – es ist eine – geheime – Zeremonie, die zu ihrer Wiedereinsetzung führt –«, fuhr ich vorsichtig fort, und Madame de Montespan nickte wissend. Sie war im Bilde. Sie hatte es schon früher getan. Ich atmete tief ein. In diesem Moment machte mir die Wahrsagerei nicht den geringsten Spaß. Ich war zu weit hineingeraten. Hofintrigen, Gift, und nun schwarze Messen. Das Leben eines Kaninchens in einer Schlangengrube. Plötzlich hatte ich den Wunsch, ein Bad zu nehmen, ein Einsiedler an der Meeresküste zu sein. Ich wünschte, Mère Jeannot würde mich hochheben und umarmen und mir sagen, daß es nur ein böser Traum war.
»Laßt mich weiter sehen«, sagte ich. Ich war überzeugt, das Klopfen meines Herzens müsse im Zimmer zu hören sein. Wiederum sah ich Madame de Montespan, sie unterhielt den König, ihr Mieder glitzerte von Diamanten. Dann sah ich sie aus einer silbernen Karaffe auf der Anrichte Wein einschenken. Ihre Hand bewegte sich zierlich über einem der Kelche und ließ ein Pulver hineinrieseln. Ich sah sie miteinander trinken und lachen, und des Königs Antlitz färbte sich plötzlich rot vor Begierde…
»Madame wird die Gunst des Königs voll und ganz zurückgewinnen. Sie empfängt ihn in ihren Gemächern. Er überschüttet sie erneut mit Geschenken. Ihr Einfluß wächst. Er ist verrückt vor Verlangen nach ihrem Leib –«
»Ja, ja –«, hörte ich ihr böses Flüstern. »Wann wird das sein? Wie lange muß ich warten?«
»Das kann ich nur aus dem Laubwerk und den Blumen lesen, die ich in dem Bild sehe – laßt mich noch einmal rühren – es sieht aus, als wäre es – im Hochsommer, wenn der König von seinem Feldzug in Flandern zurückkehrt.« Ein anderes Bild stieg empor. Madame de Montespan in der berüchtigten robe battante, der eleganten taillenlosen Robe, die sie eingeführt hatte und mit der sie dem Hof ihre Schwangerschaften und die Wiederkehr ihrer Macht kundtat. »Keine Angst«, sagte ich. »Ihr werdet wieder höchste Macht genießen und dem König zum Unterpfand Eurer Versöhnung ein Kind gebären.«
»Ah, kleine Wahrsagerin, Ihr seid
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