Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
nicht verlassen, bis dieser Mensch fort ist – ah, es kommt Gesellschaft.« In der Ferne hörte man Krachen und ein Splittern, als eine Straßenlaterne zerbarst, das Klappern von Pferdehufen auf Kopfsteinen und ein unflätiges Sauflied, das von zwei unmelodischen Stimmen gegrölt wurde.
    »Saubere Arbeit! Es zählt doppelt, wenn du sie mit einem Streich auslöschst!«
    »Edelmänner«, flüsterte Sylvie, »sonst würden sie fliehen, bevor die Wache sie wegen der Zerstörung der Laterne festnimmt.«
    »Oh, da ist noch eine.« Die arrogante Stimme schallte von der verdunkelten Straße herauf. »Und darunter verharrt ein Bewacher des Straßenlichtes, ganz wie ein Gnom. He du, Bauer, aus dem Weg, wenn du nicht überrannt werden willst. – Es gilt, eine Wette einzulösen.«
    »Die Geister der Finsternis rennen gegen das Licht der Zivilisation an, ha? Das ist kein edler Wettstreit – Rüpel, die Lichter löschen, werden stets zahlreicher sein als jene, die sie anzünden.« Die Stimme dünkte mich bekannt, aber ich wußte nicht, wo ich sie schon einmal gehört hatte.
    »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden!« Als der berittene Mann ins Licht der Laterne stürmte, sah ich, daß er sein Schwert gezogen hatte, aber die dunkle Gestalt war verschwunden.
    »Madame, kommt hier fort, sonst wünschen sie Euch am Ende als Zeugin.« Sylvie zupfte am Ärmel meines Morgenrockes. Die anderen Fenster in der Straße blieben fest geschlossen.
    »Pst!« sagte ich und blies die Kerze aus, um unser Fenster zu verdunkeln. Die verhüllte Gestalt stürzte sich aus dem Schatten und warf sich dem Pferd entgegen, so daß das Tier sich aufbäumte und seinen Reiter abwarf. Die Straßenlaterne war zu Bruch gegangen, und brennendheißes Kerzenwachs ergoß sich über das zappelnde Roß und den Reiter. Der zweite Reiter saß ab und eilte zu Hilfe.
    »Philippe, du brennst – rasch!« Er schlug mit seinem Hut auf die Flammen ein.
    »Zum Teufel – ich kann nicht aufstehen«, ertönte ein Schrei.
    »Wo ist er? Ich werde ihn finden, und wenn es mich die ganze Nacht kostet.« Ich vernahm ein metallisches Gleiten, als ein Degen gezogen wurde.
    »Meine Federn – ruiniert. Mein Knöchel – er könnte gebrochen sein. Aber ich schwöre, ich habe ihn erwischt – er kann nicht weit sein –« Ich hörte ein Ächzen und das Trappeln von Hufen.
    »Halt, Messieurs, Ihr seid verhaftet.«
    »Ha, die Wache – nein, Bogenschützen der Polizei. Gemach, gemach, wir sind es, die geschädigt wurden, ein Schurke hat uns hier überfallen –«
    »Madame, wohin geht Ihr?« flüsterte Sylvie.
    »Ich glaube, ich kenne den Mann.« Ich eilte die Treppe hinunter: Sylvie und Gilles folgten mir auf den Fersen.
    Am Fuße der Treppe konnte ich durch die schwere Türe mühsames Atmen hören. Jemand verbarg sich im Torbogen, an die Pforte gelehnt. Ich hob den Riegel, und der Mann taumelte mir entgegen. Wortlos zog Gilles ihn vollends herein, und geschwind verriegelte ich mein Haus wieder.
    » – Zerstörung der Straßenlaternen, das ist die Anklage, als ob Ihr das nicht gewußt hättet –« Der Streit auf der Straße wurde lauter.
    » – Schurke, weißt du nicht, wer ich bin?«
    »Wenn Ihr nicht mitkommt, könnt Ihr Euch die Köpfe lange Zeit in der Bastille abkühlen, das verspreche ich Euch –«
    »Nun, Monsieur d'Urbec«, sagte ich, über die hingestreckte Gestalt gebeugt. »Ihr habt eine ungewöhnliche Stunde gewählt, um Blut auf meine Schwelle zu tragen.« Aus dem Dunkel zu meinen Füßen kam die bekannte Stimme.
    »Meine Verletzungen haben sich eindeutig als tödlich erwiesen; denn den Toten begegnet man nur im Leben nach dem Tode, Geneviève Pasquier.«
    Als die Edelmänner in Gewahrsam genommen wurden, hörte ich Sylvie sagen: »Morgen wird man sie laufenlassen, und sie werden wiederkommen.« Sie hatte ihren Kopf tief gesenkt, um besser mithören zu können.
    »Genug davon, Sylvie. Rück nicht so nahe. Wenn du sicher bist, daß sie fort sind, wünsche ich, daß ihr eine verhüllte Laterne bringt und alle Blutflecken entfernt. Wenn sie morgen wiederkommen, darf keine Spur in dieses Haus führen.«
    »Sehr wohl, Madame.«
    »So, Monsieur d'Urbec, ich wußte, daß Ihr verletzt wart, als Ihr einen Stein gegen die Laterne warft. Ihr konntet also nicht weit kommen, und ich vermutete, daß ich Euch im Torbogen finden würde.«
    »Ihr verfügtet stets über eine superbe Logik, Mademoiselle. Obwohl ich freilich nicht sicher sein konnte, daß Ihr mich erkannt hattet.« Er

Weitere Kostenlose Bücher