Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
verlockt mich wenig. Ein Leben in Liebe würde beenden, was Ihr am meisten begehrt, die prophetischen Visionen. Ihr müßt etwas Originelleres finden, um Euch meiner Aufmerksamkeit zu versichern. Guten Tag und viel Glück, Monsieur Brissac. Und auch Euch, Monsieur de Nevers, einen guten Tag und meinen Dank.« Mit soviel Selbstbeherrschung, wie ich aufbringen konnte, stolzierte ich davon, doch hörte ich Brissac noch leise zu Nevers sagen: » – etwas anderes wünscht –«
    »Nein – vollkommen richtig, Brissac. Die Zukunft bleibt besser im dunkeln – ich erwarte Eure Beteiligung –«
    Ich muß zu La Voisin, dachte ich. Ein weiterer mächtiger Feind. Ich brauche einen zweiten bewaffneten Lakaien. Diese Sache könnte ernst werden. Die Luft war plötzlich stickig. Ich trat ans offene Fenster, stützte die Ellenbogen auf das Sims, versuchte wieder zu atmen. Draußen auf der Straße wühlte eine Meute Hunde in der Gosse nach Futter. Auf der anderen Straßenseite stand ein mit einem schwarzen Umhang vermummter Mann unbeweglich in einem Torweg, den breiten Hut ins Gesicht gezogen. Derselbe Mann. Ich sah ihn zu meinem Fenster hinaufblicken, und für einen beängstigenden Moment trafen sich unsere Blicke. Ich schlug das Fenster zu und floh zurück in den güldenen Salon, wo die Kartenspieler noch eifrig am Werk waren.
    Der Lärm, die Spannung im Raum waren nicht zu ertragen. Die Spiegel reflektierten immer noch eine blutige Fläche. Fort, fort, schreckliches Bild. Womit habe ich dich verdient? Wie durch einen Nebel hörte ich eine Frau sagen: »Und Louvois ist so rachsüchtig, meine Liebe, seid daher darauf bedacht, seine Aufmerksamkeit zu meiden. Ein Mann mit so wenig Eleganz wie er sollte niemals mit Macht ausgestattet sein. So fett und verschwitzt – als Madame de Courcelles wegen seines üblen Geruchs aus seinem Bette floh, ließ er sie wegen Ehebruchs verhaften, und sie flüchtete ins Ausland, um dem Kerker zu entgehen. Seither zieht sie umher wie ein Vagabund.«
    »Das ist kaum das Schlimmste, was sich über Louvois sagen läßt«, versetzte die andere Frau. »Erinnert Ihr Euch, wie die Fürstin Palatine, die hierhergekommen war, um sich mit des Königs Bruder zu vermählen, ihn das erste Mal erblickte? Sie sagte: ›Voyez, comme Louvois a l'air d'un bourgeois!‹ Für diese Bemerkung allein ließ er das Palatinat verwüsten.«
    Louvois, Staatsminister, dem das Heer in der Fremde und die Polizei in der Heimat unterstanden. Des Königs rechte Hand; er erteilte La Reynie seine Befehle. Noch einer, den es zu meiden galt. Wie konnte ich je die Kunst beherrschen, durch diese gefährlichen Strömungen zu steuern?

KAPITEL 16
    A ls die Kalesche der Comtesse mich an diesem Abend vor meinem Hause absetzte, spürte ich einen unheilvollen Druck, als wollte die Dunkelheit mich umklammern. Die ungerufene Vision im Spiegel beunruhigte mich. Wen betraf sie? Mein Rücken schmerzte stärker. Ich brauchte mehr von dem Labsal. Ein Vorreiter der Kutsche erhellte die Eingangstüre mit seiner Fackel, während die Lakaien meinen bewaffneten Diener herbeiriefen, auf daß er mich hineingeleitete. Die Schatten schienen lebendig. Sah ich dort hinten in der Straße eine dunkle Gestalt sich bewegen? Jemand beobachtete mich, dessen war ich sicher.
    »Ihr schaudert, Madame, ist Euch kalt? Wartet, ich hole Euch Euren Wintermorgenrock.« Sylvie klang besorgt.
    »Sylvie, es wird etwas Furchtbares geschehen. Ich weiß nicht, wo oder wann, aber es ist ein schreckliches Unheil. O mein Gott, bedecke den Spiegel des Toilettentisches, rasch!« Sylvie hängte eines meiner Unterkleider über den Spiegel, bevor aus der Fläche, aus der Blut zu sickern schien, Gestalten auftauchten. Entschlossen berührte ich den Stoff, um mich zu vergewissern, daß das Blut eine Illusion war.
    »Was tut Ihr da? Was habt Ihr gesehen?«
    »Blut. Ich sah fremde Gestalten im Palais de Soissons. Ich – ich habe sie nicht gerufen. Bedecke alle Spiegel im Hause. Und Brissac war dort. Ich glaube, er plant etwas mit Nevers. ›Eine Goldmine‹ nannte er mich. Ich – ich fürchte, sie möchten mich rauben – etwas mit mir anstellen. Und als ich heute abend nach Hause kam, hatte ich das Gefühl, daß mir auf der Straße jemand folgte und mich beobachtete –« Zitternd und fröstelnd kauerte ich mich aufs Bett.
    »Brissac, bah! Ein Schmarotzer, aber ungefährlich, solange er von einem Mächtigeren gezügelt wird. Die Zeit, Brissac zu fürchten, kommt erst, wenn er wieder über

Weitere Kostenlose Bücher