Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
eigenes Geld verfügt. Dennoch werde ich die Spiegel verhängen und zusehen, daß Türen und Fenster verriegelt sind.«
    »Verlaß mich nicht, Sylvie. Ich habe Angst, allein zu sein.« Ich goß eine Portion Labsal in einen silbernen Becher, den ich eigens zu diesem Behufe auf meinem Toilettentisch verwahrte. Mit argwöhnischem Blick wandte Sylvie sich mir zu.
    »Wieviel habt Ihr heute schon davon genommen?«
    »Genug. Ein wenig heute morgen. Ein wenig nach der Hinrichtung –«
    »Und ein wenig gestern abend, um zu schlafen, und ein wenig gestern nach einer Soiree mit langweiligen Leuten, und ein wenig gestern morgen, nachdem eine rumpelige Kutschfahrt vom Marais Eurem Rücken zusetzte. Madame, es ist das Labsal. La Dodée sagte mir, ich solle Euch beobachten. Ich bin sicher, Ihr habt Halluzinationen.«
    »Und was geht es sie an, daß sie dir aufträgt, mich zu beobachten? Alle beobachten mich! Es ist mir zuwider! Für wen arbeitest du überhaupt? Für La Dodée und La Trianon? Oder für mich?« Ich funkelte sie wütend an.
    »Für Euch, Madame. Aber Ihr wißt sehr gut, daß La Dodée Euch das Elixier entgegen Madame Montvoisins Anweisungen gab. Und wenn Ihr Euch damit Eure Gabe verderbt oder Euch gar umbringt, wird ihre Rache La Dodée und mich treffen. Ich an Eurer Stelle würde mich weit mehr vor Madame in acht nehmen als vor Phantasiegestalten im Schatten. Was wollt Ihr tun, wenn sie Euch besucht und Eure Spiegel verdeckt sieht? Ich, ich will mein Brot ohne Furcht essen.« Sie huschte auf die andere Seite des Bettes, schlug die Decke zurück, schüttelte die Kissen auf. Ich hatte viele Kissen – zwei auf jeder Seite des großen Doppelbettes. Sie waren wunderbar flaumig. Die besten Gänsedaunen. Damit entschädigte ich mich dafür, daß ich mit nur einem einzigen kleinen harten Kissen, flach wie ein Pfannkuchen, aufgewachsen war. Das feine Linnen war mit dem Wappen der Morvilles bestickt. Die Bettvorhänge waren aus schwerem blauem Brokat von der Farbe des Meeres an einem Sommertag. Alles von mir bezahlt. Sie freuten mich, wann immer ich sie ansah – außer natürlich, wenn ich krank war; dann freilich mochte ich gar nichts ansehen.
    »Hieran ist noch niemand gestorben«, sagte ich trotzig, indes ich den silbernen Becher abstellte.
    »Meiner Ansicht nach hat das Zeug des Alchimisten nur zu gut gewirkt. Es hat ein rechtes Kind aus Euch gemacht. Just wenn ich meine, Ihr seid klug, geht Ihr hin und führt Euch auf wie ein verwöhntes kleines Mädchen. Viele Damen sterben an Opiumvergiftung, als ob Ihr das nicht wüßtet. Schaut Euch nur die Königin von England an, die ihre kleine Tröstung genauso liebte wie Ihr. Nicht die Verbannung hat sie zugrunde gerichtet – es war das Opium, wie jedermann weiß. Und nun werdet Ihr das Zeug fortstellen und mir am Fenster zeigen, wer Euch verfolgt.«
    »Man kann Leute nicht sehen, die einem heimlich folgen.« Ich kniff die Augen zusammen. Sie durfte nicht entdecken, wie jung ich tatsächlich war, sonst wäre ich nicht mehr Herr in meinem eigenen Hause.
    »Besonders, wenn man sie sich einbildet. Blutige Spiegel, wahrhaftig! Es wird Euch erwischen, wenn Ihr nicht mit dem Zeug aufhört. Soviel Zukunft kann sogar ich voraussagen!«
    Ich trat ans Fenster und stieß die Blendläden auf.
    »Und wie nennst du das?« flüsterte ich. »Meine Phantasie?« Die schwarze, mondlose Nacht hatte die Stadt verschluckt. Hie und da war zwischen geschlossenen Fensterläden das schwache Flackern einer Kerze zu sehen. Und in einem Torweg gegenüber stand, halb erleuchtet von einem matten Lichtkreis unter einer von La Reynies neuen Straßenlaternen, unbeweglich eine Gestalt in einem schwarzen Umhang, den breiten, federlosen Hut tief ins Gesicht gezogen.
    »Oh!« Nun war sogar Sylvie verblüfft. »Habt Ihr ihn schon zuvor gesehen?«
    »Heute nachmittag bei der Hinrichtung. Da hat er mich beobachtet, dessen bin ich sicher. Und später stand er vor dem Palais de Soissons und starrte mich durchs Fenster an.«
    »Was glaubt Ihr, wer ihn geschickt hat?«
    »Es könnte Duc de Nevers sein. Er ist ein skrupelloser Mensch; Straßenmörder, Meuchelmörder, Entführer, er kennt sie alle. Er tut, was ihm beliebt, und kein Gesetz, kein Gott, kein Mensch kann ihm Einhalt gebieten.«
    »Aber Ihr habt den Teufel ausgelassen. Ihn fürchten sie alle, diese Wüstlinge. Er wird es nicht wagen, Madame zu erzürnen – zumindest nicht direkt. Ich schicke Mustafa morgen mit einer Botschaft zu ihr. Und Ihr solltet das Haus

Weitere Kostenlose Bücher