Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
nicht immer alles, was ihm zu Ohren kommt. Und ich weiß, man hat Euch ausersehen –«
    »Das ist lächerlich. Ich besitze nicht das Geschick, die Geheimnisse. Und ich habe mich entschieden, eine Wahrsagerin zu sein. Ich bin nicht einmal eine Eingeweihte, nur eine Verbündete. Das ist genau das Richtige für mich. Ich werde reich, und dann setze ich mich zur Ruhe.«
    »Ich habe bislang noch keine Frau aus Eurem Metier sich zur Ruhe setzen sehen.«
    »Ihr seid widerwärtig, Florent d'Urbec. Die Welt ist auch nicht von alt gewordenen nouvellistes bevölkert. Ungefähr der schönste Ort, an dem sie enden, ist der Schuldturm. Und Ihr wollt, daß ich mit Euch gehe und rein gar nichts bin? Selbst der lächerliche Brissac bietet mir eine Zusammenarbeit an, so abstoßend sie ist.«
    D'Urbec stand wutentbrannt auf und sah mit flammenden Augen auf mich herab. »Geneviève Pasquier, Ihr werdet bereuen, dies zu mir gesagt zu haben, das schwöre ich.« Aber ich lasse mich von solchen Taktiken nicht einschüchtern. Männer lieben dergleichen. Und was erwarten sie von uns? Sollen wir in Ohnmacht fallen? Ich blickte ihn geradewegs an und zuckte die Achseln.
    »Oh, là, là, die Rache. Alle wollen heutzutage Rache. Mich führte sie zur Schattenkönigin, und nun werde ich nie wieder an Rosen riechen. Wohin wird sie Euch führen, Florent d'Urbec? Ich habe einen Unmenschen, der mich entehrt hat, als würdigen Gegenstand meiner Rache. Ihr nur eine Frau, die Gefahren auf sich nahm, um Euch Gutes zu tun. Eines Tages müßt Ihr mir mehr von Eurem gerühmten Verstand erzählen, mein Freund, und wie Ihr ihn nutzt, um jemanden zu vernichten, der es wert ist, daß Ihr Rache an ihm nehmt.«
    An den folgenden beiden Tagen sprach er nicht mit mir. Am dritten Tag borgte er sich von Sylvie eine Nadel, und mit der übertriebenen Exaktheit des langjährigen Junggesellen flickte er sein Hemd, das nach mehreren Wäschen keine Blutflecken mehr aufwies.
    »Ich gehe jetzt«, sagte er. »Ich schicke um meine Kiste, wenn ich einen Platz zum Leben gefunden habe.«
    »Ihr wißt nicht, wohin?« fragte ich, plötzlich besorgt. Er sah noch immer siech und fiebrig aus.
    »Ich habe im Hinterzimmer von Griffons Druckerei gewohnt. Er und seine Familie wohnten darüber. Die Jansenisten werden wohl nicht so entgegenkommend sein.«
    »Aber – werde ich Euch wiedersehen?«
    »Ach, das? Ja, natürlich. Auf dem Cours la Reine in einer vierspännigen Equipage. Lebt wohl, Madame de Morville. Riecht nicht an Blumen.«
    Ich floh die Treppe hinauf, wobei ich ohne jeden Grund dumme Tränen weinte.

KAPITEL 19
    I n den ersten Tagen des Herbstes kehrte der Hof zurück, und die Theater wechselten von der Sommersaison der Komödien zur Wintersaison der Tragödien. Das Wetter blieb warm, die Tage, golden und mild, hatten diese eigentümliche lichte Stille, die mit dem ersten Herbstregen plötzlich vergeht. Lamotte und d'Urbec waren aus meinem Leben verschwunden. D'Urbec hielt Wort und schickte nach seiner Kiste, ließ sich jedoch nicht persönlich sehen. Ich gab die Möbel zurück, warf die Suppenknochen fort und stürzte mich aufs neue in meine Arbeit. Die Geschäfte waren nie besser gegangen, denn es wurde gemunkelt, der Sonnenkönig sei auf der Suche nach einer neuen Mätresse, und die Intrigen bei Hofe hatten sich vervielfacht.
    »Alle lachen mich aus, der Teufel soll sie holen!« herrschte mich Madame de Montespan in ihrem gülden-weißen Salon an. »Hinaus, hinaus mit euch allen! Mein Schicksal geht euch nichts an! Hinaus, oder ich schwöre, ich lasse euch alle hängen! Ich habe noch Einfluß, vergeßt das nicht!« Wie ein Dämon in Brokat wirbelte sie durch den Salon, ergriff eine kleine bronzene Amorette und warf sie nach einer ihrer erschrockenen Kammerfrauen. Ich wünschte schon, ich wäre nicht gekommen. Bei ihren berühmten Wutanfällen verlor Madame de Montespan jegliche Beherrschung, und man konnte nie genau sagen, wie es enden würde. Als aber ihre Kammerfrauen sich zurückzogen und ich mein Glas hervorholte, drückte sie die Hände an die Schläfen und setzte sich stöhnend nieder. Wieder einmal ihre grausamen Kopfschmerzen. »Gut, sie sind alle hinausgegangen. Nun sagt mir rasch, wird die fette, geschmacklose Madame de Soubise meinen Platz einnehmen?« Jedermann bei Hofe wußte von der Princesse de Soubise und dem geheimen Zeichen, mit welchem die Schönheit mit den tizianroten Haaren den König von der Abwesenheit ihres Gemahls verständigte. Wenn sie, geschmückt

Weitere Kostenlose Bücher