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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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mit ihren Smaragdohrringen, einen Raum betrat, begleitete sie aufmerksames Gemurmel, und aller Augen wandten sich dem König zu. Jene von hämischem Gemüt freute es zudem zu beobachten, wie Madame de Montespan beim Anblick der berühmten Ohrringe über ihrem Fächer die Augen zusammenkniff. La Montespans Sturz war nahe. Es lebe die maîtresse en titre.
    Ich musterte ihr Gesicht. Trotz des Kopfwehs glitzerten ihre unheimlichen aquamarinblauen Augen vor Zorn. Diesmal stieg das Bild mühelos im Glas empor.
    »Der Triumph Eurer Rivalin ist von kurzer Dauer, Madame, dessen seid versichert.« Sie beugte sich näher, versuchte, selbst ins Wasser zu spähen, und ihr Atem trübte das Glas. »Mit ihrer nächsten Schwangerschaft wird Madame de Soubise ihre Schönheit einbüßen, und der König wird das Interesse an ihr verlieren.«
    »Ihre Schönheit einbüßen?« Hämischer Triumph klang aus Madame de Montespans Stimme. »Und wie? Sagt das Glas es Euch?«
    »Es ist klar und deutlich, Madame. Sie wird einen Vorderzahn verlieren.«
    »Ah«, seufzte Madame de Montespan. »Meine Zähne sind sehr kräftig. Wie bedauerlich, daß so viele Frauen nach Geburten ihre Zähne verlieren. Gott hat gewollt, daß ich Macht erlange, indem er mir kräftige Zähne schenkte.« Sie lächelte. Ihre Zähne zwischen den geröteten Lippen waren klein und weiß, wie die eines kindlichen Kobolds.
    »Eure Schönheit und Euer guter Geschmack sind ohnegleichen«, sagte ich begütigend.
    »Ich habe gelobt, ihn keiner anderen Frau zu überlassen, und ich pflege meine Versprechen zu halten.« Eine eigentümliche Freundlichkeit verbarg den schäumenden Hexenkessel ihres Zornes.
    »Jedermann achtet Euch dafür, Madame.« Ich bemühte mich, diplomatisch zu sein.
    »Ich sage Euch, es ist ein Glück für Madame de Soubise, daß sie den Zahn verlieren wird. Ich werde nicht dulden, daß sie an meiner Stelle Herzogin wird. Sagt mir, verrät Euch das Glas, wann ich zur Herzogin ernannt werde?« Dies war ein wunder Punkt. Jedermann wußte, wagte es ihr jedoch nicht zu sagen, daß der König ihr den Titel, mit welchem er eine königliche Mätresse zu belohnen pflegte, nicht verleihen würde. Denn er wollte ihren Gemahl, der nach wie vor in der Verbannung in der Provinz wütete, nicht zum Herzog ernennen. Sie aber glaubte, daß er aus Liebe mit allen Gepflogenheiten brechen werde. »Die Äbtissin von Fontevrault sagt, ich müßte wirklich bald Herzogin werden, im Hinblick auf meine Dienste für die Krone.« Ihre Schwester. Ihr einziger Zuspruch.
    »Die Äbtissin ist eine scharfsichtige Frau.«
    »Aber nicht so scharfsichtig wie Euer Glas. Sagt mir, was verrät es über meinen tabouret?« In ihrem Lächeln lauerte Gefahr.
    »Das Glas, Madame, ist klar. Das ist es oft, wenn etwas in zu ferner Zukunft liegt, um schon gelesen zu werden. Vielleicht nach Madame de Soubises Fortgang. Wer weiß? Eine Expertin mit den Karten könnte vielleicht –«
    »La Voisin? Euer Glas ist besser als ihre Karten. Ich denke, ich lasse sie einfach wissen, daß –« Neuerliche Gefahr. Eine Drohung. Sage ihr, was sie zu hören wünscht, sonst…
    »Madame, Eure Schönheit genügt als Verheißung für die Zukunft.« Sie wölbte eine Augenbraue. Sie kniff die Augen zusammen. Sie erhob sich.
    »Unsere Unterredung ist beendet, Madame de Morville. Mademoiselle des Œillets wird Euch im Vorzimmer empfangen.« Ich verließ sie mit einem Gefühl der Erleichterung. Es hatte durchaus Nachteile, in dieser Saison zu begehrt zu sein, und einer davon waren La Montespans gefährliche Wutanfälle. Aber die schwere kleine Seidenbörse, die Mademoiselle des Œillets mir aushändigte, trug viel zu meiner Aufheiterung bei. Mein Rechnungsbuch füllte sich erfreulich. Das bedeutete am Ende der Woche einen angenehmen Besuch bei meiner Gönnerin.

    Am Sonntag nachmittag traf ich als letzte von La Voisins Schützlingen ein. Ich saß vor ihrem geschlossenen Kabinett und betrachtete die Messingarbeit am Türriegel, als zu meiner Überraschung die Türe aufschwang und ich den letzten Fetzen des Gespräches hören konnte. Ich erhaschte einen Blick auf La Voisin, die, in einem dunkelfarbigen Kleid, weißer Spitzenschürze und anliegender Spitzenhaube, La Lepère, die verweinte Augen hatte, am Arm hinausgeleitete.
    » – genug gejammert. Ihr solltet Euch an der kleinen Marquise da drüben ein Beispiel nehmen. Sie ist erst zwei Jahre im Geschäft, und es bekommt ihr bestens, meinen Rat zu befolgen.« Als die alte Frau mit

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