Die Hexe von Paris
Lamotte – wenigstens so lange, bis Euch diese Rübe langweilt, die er Geist nennt.« Plötzlich überkam mich die kalte Gewißheit, daß Lamottes Interesse an mir schwinden würde, wenn d'Urbec nicht mehr da war. Gott, welch grausames Spiel hatte Lamotte getrieben. Der eitle, selbstsüchtige, wankelmütige, reizende Lamotte. Er hatte seinem Freund übel mitgespielt, um eine Kränkung zu rächen, und dazu hatte er mich benutzt. Meine Schwäche, meine Torheit, meine Illusionen. Und d'Urbec wußte alles.
Schweigend half er mir aus der Kutsche. »Bitte – bitte, denkt nicht schlecht von mir –« Als ich in sein grimmiges Gesicht blickte, brannten mir die Augen.
»Mademoiselle, Ihr habt selbst soviel Verzweiflung erlebt, daß Ihr sie gewiß bei anderen erkennt.« Er zog den Kopf ein und wandte sich ab, ohne Lebewohl zu sagen. Ich blieb lange Zeit auf der Türschwelle stehen und sah seiner Kutsche nach, die langsam auf der Rue Chariot entschwand. Als ich an diesem Abend im Bette saß, brachte mir Sylvie meine Bücher.
»Die habt Ihr heute nachmittag auf dem Sitz Eurer Kutsche liegenlassen, Madame. Soll ich sie auf das Bord stellen?«
»Nein, gib sie her, Sylvie. Ich lege sie auf meine Nachtkonsole.« Ich griff zu dem Petronius, doch als ich das Buch durchblätterte, begannen meine Augen zu tränen.
»Oh, diese verstaubten alten Dinger. Laßt mich sie abstauben, damit Ihr nicht niesen müßt.« Sylvie nahm Großmutters Bibel und wischte den Buchdeckel mit dem Zipfel ihres Unterrocks sauber. Dann schüttelte sie das Buch, so daß die Seiten aufflatterten und eine Staubwolke aufflog.
»Oh! Was ist denn hier herausgefallen?«
»Sylvie, die Pest soll dich holen, du hast ein Blatt aus der Bibel meiner Großmutter gelöst.«
»O nein, Madame. Es ist etwas Handgeschriebenes.« Sie reichte es mir. Es war ein Blatt von Großmutters Briefpapier. In ihrer zittrigen Handschrift standen mit schwarzer Tinte die Worte geschrieben: Cortezia et Benson, Banquiers à Londres.
KAPITEL 24
A h, meine liebe Marquise, herein, herein – ich möchte Euch mit jemandem bekannt machen«, ertönte die Stimme der Wahrsagerin aus den Tiefen ihres brokatenen Lehnstuhls. Manon, mit einer neuen Schürze und frischem Häubchen angetan, hatte mich an der Eingangstüre empfangen und in Madames schwarzen Salon geführt. Die blasse Wintersonne fiel durch die Fensterscheiben, und das Licht warf kleine Rechtecke auf die grotesken Figuren des dunkelroten Teppichs. Zwei prachtvolle brokatene Lehnstühle mit goldenen Fransen waren gegenüber Madames Stuhl an den vergoldeten Tisch gezogen, an dem Madame aus den Karten zu lesen pflegte. Ein widerwärtiger Weihrauchgeruch überlagerte den Bienenwachsduft der Kerzen vor der Muttergottesstatue. Zwei hagere Herren in blonden Perücken und kostspieligen, provinziell wirkenden Kleidern saßen in den Lehnstühlen und tranken Wein aus silbernen Kelchen. Ungehobelte Kerle, dachte ich. Schweden vielleicht – oder Engländer. Noch nicht lange an Land, sonst hätten sie bereits einen Schneider aufgesucht, um sich für ihren Auftritt bei Hofe etwas Anständiges machen zu lassen.
»Milord Herzog von Buckingham und Milord Rochester, gestattet mir, Euch mit der Marquise de Morville bekannt zu machen.« Das komische Paar erhob sich höflich.
»Die unsterbliche Marquise, äh? Ich habe bei meinem letzten Besuch von Euch gehört, Madame. Ich bin entzückt, Euch leibhaftig zu begegnen. Mein Kompliment.« Buckingham, der sich über meine Hand gebeugt hatte, hob den Kopf und betrachtete mit wollüstigen blauen Augen mein Gesicht. Ich konnte sein Alter nicht bestimmen; sein Gesicht war verwüstet, geisterbleich, und sein Schnurrbart so dünn, als habe ein Kind ihn mit einem Bleistift aufgemalt. Sein Gefährte holte ein Lorgnon hervor, mit dem er meinen Teint begutachtete. Ich gab mir alle Mühe, beim Anblick eines ungeheuer vergrößerten blauen Auges am Ende eines Stabes ernst zu bleiben. Während der gesamten Prozedur lächelte Madame wohlwollend.
»Bemerkenswert! Bemerkenswert!« Er ging um mich herum, um mich besser in Augenschein nehmen zu können. »Wie schade, daß das Geheimnis des Präparates mit dem alchimistischen Abbé verlorenging. Ihr könntet es in Eurem chemischen Laboratorium neu erschaffen, Mylord.« Der Lord, der wieder Platz genommen hatte, nickte nachdenklich.
»Der Lord ist Alchimist und Forscher von hohem Ansehen«, erklärte mir La Voisin, und sie blickte so zufrieden drein wie die Katze , die um
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