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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Wahrheit gesagt.«
    »Da sieht man, was für ein Närrchen du bist. Für Brissac ist die Wahrheit aus dem Munde einer Frau eine Kränkung. Es hat große Mühe gekostet, ihn davon abzuhalten, dich nach diesem Streich ermorden zu lassen. Und nun ist einer der kleinen Gespielen der Herzogin deinetwegen in ganz Paris in aller Munde. Ich sage dir, du kannst keine Feindin gebrauchen, die über soviel Macht gebietet.« Sie stand abrupt auf und sah mit harten Augen auf mich herab. »Sie wird dir den Garaus machen, mit so wenig Gefühl, wie sie einen Käfer zerquetschen würde. Vergiß nicht, Mademoiselle, magst du dich auch noch soviel in der großen Welt bewegen, du zählst nichts in ihr. Niemand würde auch nur die Polizei verständigen, wenn du morgen verschwändest.« Mir war auf einmal sehr kalt. Ich konnte das Blut in meinen Ohren sausen hören.
    »Was soll ich denn tun?« Mein Mund war so trocken, daß ich kaum sprechen konnte.
    »Höre ausnahmsweise einmal auf mich – was dich zweifelsohne ebenso hart ankommen wird wie die törichte Marie-Marguerite – ah! Gott bewahre mich vor aufsässigen Mädchen!« Sie nahm wieder Platz und sah mich eindringlich an, als könnten ihre schwarzen Augen meinem Willen gebieten. »Du mußt ihn aufgeben. Unverzüglich. Und wenn sie zu dir kommt, gib ihr die Beschreibung von Mademoiselle de Thianges. Sie wird wissen, daß Mademoiselle für ihn zu hoch und erhaben ist, als daß er sich Hoffnungen machen könnte, und überdies gelten La Thianges' Bestrebungen dem Thron. Somit wird die Herzogin annehmen, daß es sich um eine platonische Affäre handelt. Ein gewisses Quantum Schmeicheleien von seiten der Damen wird bei einem Manne in seiner Position erwartet. Du wirst gerettet sein – und er desgleichen. Und wenn du schon nicht auf dich achtgibst, dann denke wenigstens an seine Laufbahn und an den Fortbestand der berühmten Waden, in welche du offensichtlich so vernarrt bist.«
    »Ich – ich werde es versuchen.«
    »Du wirst es versuchen? Nein, Mademoiselle, du wirst es tun – und zwar unverzüglich.« Sie stand abermals auf und trat an den verschlossenen Schrank, in dem sie ihre Hauptbücher und Zauberbücher verwahrte. »Und nun zu deinen Rechnungen – und mache nicht so ein finsteres Gesicht. Du kannst eine Mancini ebensowenig überlisten, wie es der englische Lord kann.«
    »Hat er das vor?«
    »Er intrigiert unaufhörlich. Seit er die Gunst des englischen Königs verwirkte, intrigiert er am französischen Hofe. Heute hier, morgen dort. In dem Bemühen, seine Macht zurückzuerlangen, durcheilt er ganz Europa.« Sie ließ ihre Fingerspitzen flattern, als wäre sie ein in Ungnade gefallener Höfling, der wie eine Zugschwalbe über den Städten Europas seine Kreise zieht. Madame hatte durchaus Sinn für Humor, wenn auch nicht von der gewöhnlichen Art. »Hin und wieder kommt er vorbei, um sich von einer schwarzen Messe beistehen zu lassen. Heute morgen habe ich ihm die Karten gelesen und ihm gesagt, daß er im Kerker landen wird, wenn er sich nicht zügelt. Aber Lords hören freilich nicht auf einen guten Rat, so wenig wie junge Mädchen.« Sie nahm das PHauptbuch aus dem Schrank, legte es auf ihr Schreibpult und seufzte. »Aber ich halte ihn bei Laune. Er ist meine Zuflucht, wenn die Lage hier brenzlig wird. Allerdings muß es für mich schon sehr brenzlig werden, ehe ich in so einem feuchten, rückständigen Land wie England leben möchte.«
    Sie schlug das Hauptbuch auf und fuhr mit dem Finger eine Zahlenreihe entlang. »Meine Güte, hast du eine Rechnung auflaufen lassen. Was für Ausgaben«, bemerkte sie. »Die Miete für die Möbel, der Zins für das Haus, da kommt einiges zusammen. Du tätest besser daran, dich mit deinem Gewerbe zu befassen und mir höhere Raten zurückzuzahlen, sonst stehst du noch Jahre in meiner Schuld.« Noch Jahre? Ja, ja, d'Urbec hatte recht, wie immer. Seine verwirrendste Eigenschaft. Seine Art, so berechnend zu schauen und dann eine unangenehme Schlußfolgerung zu ziehen. Warum er aber über meinen Kontrakt besorgt war – abgesehen von seiner überaus aufdringlichen Natur –, das war mir unbegreiflich. Ich selbst machte mir keine Sorgen deswegen. Was spielte es für eine Rolle, solange ich gut lebte? Als ich ging, hatte ich meine Rechnungen geregelt und meine Entscheidung getroffen. Ich würde Lamotte nicht aufgeben. Schließlich hatte ich ihn mir mühsam erobert, indem ich meine Ehre in mehrfacher Hinsicht geopfert hatte, und er war mein, zumindest

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