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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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danke, das kitzelt so in meiner Nase«, erwiderte ich, und er schlurfte in den schwarzen Salon. Als die Haustüre geöffnet wurde, hörte ich ihn sagen: »Ah, guten Tag, Madame Poulaillon. Und wie geht es dem werten Herrn Gemahl? Ganz wiederhergestellt?«
    »Antoine, entfernt Euch«, hörte ich Madame zischen, »Ihr stört meine Geschäfte.« Die Flügeltüre fiel hinter ihm zu, worauf er sich in Madames Lieblingslehnstuhl zurückzog und seine Füße auf ihren Schemel stellte.
    »Marquise«, sagte er, hielt dann inne, um eine Prise zu nehmen und in ein schmutziges Schnupftuch zu niesen, »hat meine Tochter schon nach Euch geschickt? Ich sagte zu ihr: Marie-Marguerite, wende dich an die Marquise. Sie hat Geld zur Verfügung und ist verschwiegen.« Ich hatte ihm gegenüber auf dem kleineren Lehnstuhl Platz genommen. Nun sah ich ihn verwundert an und entfaltete meinen Fächer.
    »Ich war beschäftigt«, sagte ich. »Ich habe nichts gehört.«
    »Dann geht zu La Lepères neuer Wohnstatt, und nehmt Sylvie nicht mit. Sie wollte nach Euch schicken, dessen bin ich sicher.« Mit seinen blaßblauen Augen blickte er sich um, als sei die Welt viel zu kompliziert für ihn. Und als ließe sich damit alles lösen, nahm er noch eine Prise. »Fort von mir, dumme Katze«, sagte er, als der graue Kater von der Stuhllehne auf seinen Schoß sprang. Der Kater sah ihn kurz aus zusammengekniffenen Augen an und biß ihn in den Daumen, ehe es ihm gelang, das Tier mit fahrigen Gesten zu vertreiben. »Die Katzen hasse ich auch. Ich hasse alles hier«, sagte er, dann versank er in düsteres Schweigen, indes ich versuchte, aus alledem klug zu werden.
    Ein Flügel der Salontüre ging plötzlich auf; Madame Poulaillon mußte mit ihrem wöchentlichen Quantum Arsenik schon gegangen sein. Aber Madame legte nicht die zufriedene Miene an den Tag wie sonst nach solchen Geschäften. Sie wirkte gereizt, als ich mich erhob, und sie nahm den Lehnstuhl, den der alte Montvoisin unter verärgertem Schnauben sogleich frei gemacht hatte. Sie klopfte mit den Fingern auf die Armlehne und forderte mich nicht zum Sitzen auf. Mein Anblick schien sie noch mehr zu erzürnen. Vorsicht, Geneviève, sagte ich mir.
    »So, nun zu dir, du zweite kleine Undankbare. Ich vermute, du weißt, wo Marie-Marguerite ist – alle wissen es, nur ihre eigene Mutter nicht!«
    »Marie-Marguerite? Was ist geschehen? Ich habe nichts gehört.«
    »Ha, das kann ich mir denken. Warst zu sehr damit beschäftigt, dich mit dem aus der Gosse aufgelesenen galérien zu vergnügen und auf meine Kosten Wein und Austern zu schlürfen. Ich mache dich zur Marquise, und du wirfst dich weg an einen gebrandmarkten Verbrecher.« Ich war auf die Flut von Beleidigungen gefaßt. Madame liebte es ebensosehr, das Herz zu vergiften, wie sie es liebte, den Leib zu vergiften. Und d'Urbec machte ihr angst.
    »Er ist nicht gebrandmarkt«, erwiderte ich.
    »Was nicht ist, kann noch werden«, sagte sie verächtlich. »Brissac wird ihm vermutlich die Nase verunstalten, noch ehe der Monat vergangen ist.« Ich wechselte das Thema in der Hoffnung, ihren Zorn in eine andere Richtung zu lenken.
    »Muß Marie-Marguerites Baby nicht bald kommen? Ich dachte, sie würde so kurz vor ihrer Zeit zu Hause sein.«
    »Dieses Flittchen! Diese undankbare Göre! Ich habe Romani zehntausend Francs geboten, um sie zu einer ehrbaren Frau zu machen, und sie hat ihn verschmäht.« Mit hoher Stimme imitierte sie das Jammern einer Heranwachsenden. »›Ich werde keinen heiraten, der seinen Unterhalt mit Giftmischerei verdient, Mutter.‹ ›Ach, junge Dame, und woher kommt das Essen, das du dir zwischen die Zähne schiebst, äh? Zumal jetzt, wo du nur auf der faulen Haut liegst! Romani ist ein Genie, ein Mann mit tausend Masken.‹ ›Es kümmert mich nicht, ob er ein Genie ist; ich will einen braven Mann.‹ Brav, pah! Ein Konditor! Und nicht einmal mit einem eigenen Geschäft! Ein Konditorgeselle! Ich lasse nicht zu, daß meine Tochter so einen heiratet! Und nun ist sie auf und davon und hält sich versteckt; wo sich allerdings ein Mädchen, fett wie eine Sau und langsam wie eine Schnecke, in dieser Stadt verstecken könnte, das geht über meinen Verstand! Ich sage dir, ich werde sie finden, und wenn ich jedes Haus in der Stadt durchsuchen lasse!«
    Dazu war La Voisin durchaus imstande. Sie hatte überall Leute, die ihr zu Diensten waren, Frauen, die ihr eine Stellung als Zofe, als Köchin, als Verkäuferin, Weberei- oder Stickereilehrling

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