Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Zimmer, »ich muß Geld borgen. Ich brauche einen Plan. Ihr seid klug, Ihr müßt Euch etwas einfallen lassen. Ich möchte mein Kind heimlich in Pflege geben, wo Mutter es nicht finden kann. Ihr seid die einzige, die gewitzt genug ist, sie zu täuschen. Helft mir.«
    »Marie-Marguerite«, sagte ich, indes ich mich zu ihr auf das Bett setzte, »deine Mutter wird dir nicht ewig zürnen, weil du Romani nicht geehelicht hast. Früher oder später wird sie einen neuen Plan aushecken und befinden, daß sich auf diese Weise alles zum besten gewendet hat.«
    »Das eben ist es, was ich fürchte. Sie denkt an das Geld, und schon verliere ich mein Kind. Sie ist zu allem fähig, wenn die Habgier sie packt oder ein bedeutender Klient eine Messe wünscht. Es ist nicht ratsam, ein Neugeborenes im Hause meiner Mutter zu lassen.«
    »Aber doch gewiß nicht – ihr eigenes Enkelkind?« fragte ich leise.
    »Warum nicht? Der gräßliche alte Guibourg nimmt seine eigenen Kinder, die ihm seine Mätresse gebar, wenn sie knapp werden. Und jetzt sind sie knapp. Wenn der Hof zurückkehrt, blüht das Geschäft auf. Ihr habt keine schwarze Messe erlebt, Marquise, aber ich. Mehrere. Madame de Montespan, sie ließ etliche lesen, und ich half, den Raum für die Teilnehmenden herzurichten. Und sie ist nicht die einzige. Mutter tätigt eine Menge Geschäfte. Ich lasse nicht zu, daß man meinem süßen Kleinen die Kehle durchschneidet, bloß weil eine fette alte Hure ihren Liebhaber behalten will.«
    Sie sah auf ihre Brust hinab, um das winzige rosige Geschöpf zu bewundern, und ich konnte nicht umhin, es ebenfalls zu tun. Das Kind des Konditors. Mit geschlossenen Augen trank es sich satt und wußte nichts von den Stürmen ringsum. Ein kleines Büschel hellbrauner Haare bedeckte die pochende weiche Stelle auf seinem Köpfchen. Eine winzige geballte Faust schob sich unter der Decke hervor, die es umhüllte. Vielleicht würde der Kleine eines Tages braune Ringellocken haben wie seine Mutter. Und wenn ihm das Glück beschieden sein sollte, am Leben zu bleiben, würde er nie erfahren, was sie gewagt hatte, wie sehr sie ihn geliebt hatte. Daß sie ihn aufgegeben hatte, um sein Leben zu retten. Ich überlegte, und ich hatte eine Erscheinung wie im Traum. Ein Meer von wilden Blumen auf den Feldern, und der Wind blies weiße Wolken über den Himmel.
    »Ich kannte einst ein gutes Heim in Fontenay-aux-Roses, aber die Frau lebt vielleicht nicht mehr. Schicke ihn nicht mit einer Fuhre hin. Denn viele überleben die Fahrt nicht. Ich werde eine Kutsche für dich mieten und dir die Gebühr für ein Jahr geben. Kindspflegerinnen legen Wert darauf, im voraus bezahlt zu werden. Und wenn du glaubst, daß deine Mutter dich beobachtet, will ich ihn persönlich besuchen, um zu sehen, wie er gedeiht, und dir darüber berichten.« La Lepère sah mich mit ihren rotgeränderten Augen an. Verschwörerinnen.
    »Ich wußte, daß Ihr mir helfen würdet. Ich weiß nicht, warum, mich dünkte einfach, Ihr würdet es tun«, sagte Marie-Marguerite. »Möchtet Ihr ihn einmal halten?« Ich kam mir unbeholfen vor, aber es wäre unhöflich gewesen, abzulehnen. Ich fürchtete, ich könnte ihn verletzen und wäre blamiert.
    »O seht, so«, sagte sie. »Ihr müßt den Kopf halten, damit er nicht wackelt.« Behutsam schob ich meinen Arm unter das Köpfchen und betete, daß das Kind mein gutes Kleid nicht naß machte.
    »Er ist sehr niedlich«, sagte ich verlegen. Ich fühlte mich zu knochig, zu unansehnlich, um einen Säugling zu halten. Dennoch wünschte ich, er wäre meiner.
    »O ja, er ist entzückend«, erwiderte sie und nahm ihn zurück. »Ich habe ihn Jean-Baptiste genannt, nach seinem Vater.« Sie strahlte vor lauter Liebe zu ihm. Ich wünschte, ich könnte sie zeichnen, wie sie so im Bette saß. Wie würde ich die Zeichnung nennen? »Kleine Madonna von den Giften«, denke ich.
    »Deine Mutter hat alles bekommen, was ich heute bei mir hatte. Ich muß morgen meinen Bankier aufsuchen – danach schicke ich eine Kutsche hierher; wir treffen uns vor St. Nicolas des Champs, dort händige ich dir das Geld aus. Ich gebe dem Kutscher eine Nachricht mit, um welche Stunde.«
    »Oh, nicht dort. Mutter pflegt sich dort mit Frauen zu treffen, die nicht gesehen werden wollen, wenn sie zu ihr ins Haus kommen, um ihr Quantum Arsenik abzuholen. Treffen wir uns lieber vor Notre-Dame. Mutter setzt niemals einen Fuß dorthin.«
    »Abgemacht«, stimmte ich zu. Und als Sylvie spitze Bemerkungen über meine

Weitere Kostenlose Bücher