Die Hexe von Paris
Zwillingstürmen mit dem Torbogen dazwischen, den ausgerechnet eine Statue der Muttergottes krönte, und kamen auf die Seite des Gebäudes mit den Gerichtssälen und Aufenthaltsräumen für Wachen und Gerichtsdiener. Taumelnd stieg ich im Innenhof aus der Kutsche. Als die Polizisten mich auf der Treppe, die in die höhlenartige Festung führte, stützen mußten, lächelte Desgrez. Unser Nervenkrieg hat begonnen, schien seine Miene zu verkünden, und Ihr werdet ihn verlieren.
Nachdem wir einen langen, stickigen Korridor passiert hatten, wurde ich in ein Vorzimmer geführt, wo mehrere Schreiber an hohen Pulten saßen und Berichte in Hauptbücher kopierten. An den Wänden waren Musketen und Spieße aufgereiht, und Männer in dem blauen Habit und den weißen Federhüten der Polizei rekelten sich auf Holzbänken. Das Zentrum des Bienenhauses der Polizei, dachte ich. Aber es gab noch ein Zentrum innerhalb des Zentrums. Durch einen verborgenen Korridor gelangten wir in ein schmales, getäfeltes Gelaß mit einem erhöhten Sitz und einem großen Tisch hinter einer niedrigen hölzernen Barriere. Die geheime Verhörkammer für Verdächtige höchsten Grades. »Wartet«, sagte Desgrez. »Die Sitzung im Saal ist noch nicht beendet.«
Kurz darauf öffnete sich eine Innentüre, und ein Mann mit der hellen Vollperücke, dem langen roten Gerichtstalar und den weißen Linnenbändern des Polizeipräfekten trat ein, gefolgt von einem Schreiber.
»Monsieur de la Reynie.« Desgrez zog seinen Hut vor dem Manne, der mich lange ansah, als suche er mich einzuschätzen. Ich betrachtete die harten, klugen Augen in dem faltigen Gesicht. Eine lange, gebogene Nase saß über einem schmalen Schnurrbart und einem grimmigen, doch sonderbar sinnlichen Mund. Sein vorstehendes Kinn war feist und zeugte von Selbstzufriedenheit. Der Mann, der die Folterung der Marquise de Brinvilliers angeordnet hatte. Mit dem war gewiß nicht zu spaßen, schon gar nicht auf seinem eigenen Territorium.
»Hauptmann Desgrez, ich sehe, Ihr habt die sogenannte Madame de Morville hergebracht. Vortrefflich.« La Reynie bedeutete Desgrez, auf einem der Stühle Platz zu nehmen, die ringsum aufgestellt waren; mich aber ließ er stehen. Kalter Schweiß rann meine Schläfen hinab. Ein Zittern rieselte durch meine Gliedmaßen. Mein Magen brannte. Nein, ich war nicht krank. Ich hatte mein Labsal nicht genommen. Und hier brauchte ich all meinen Verstand. Fast konnte ich das liebe grüne Fläschchen unten in meinem Beutel liegen sehen, der sich in Reichweite jenes Rüpels von Polizisten befand.
»Madame, Ihr seht bleich aus«, sagte La Reynie. »Müßt Ihr Euch setzen?« Der Klang der Stimme gefiel mir nicht, dieses falsche Mitgefühl, welches das genaue Gegenteil überdeckte. Sage ihm, du willst das Zeug, schrie mein Leib, als mein Magen zu schmerzen begann. Sei still, rief mein Verstand. Willst du dich ihm auf Gedeih und Verderb ausliefern? Plötzlich wurden meine Knie schwach. Ich spürte, wie jemand einen harten Holzschemel hinter mich schob, und ließ mich darauf plumpsen.
Mein Körper, der bei diesen inneren Streitgesprächen gewöhnlich zu siegen pflegte, bewog meinen Mund zu sprechen: »Monsieur de la Reynie, Monsieur Desgrez, ich bitte um Vergebung, aber ich leide an einem alten Gebrechen und brauche ein paar Tropfen von meiner – Herzmedizin, welche sich dort drüben in meinem Beutel befindet.« Ich saß gekrümmt und hielt mir die Seiten. Der Schmerz durchströmte meinen Körper. Die beiden sahen einander an, dann mich. La Reynie gab einem der Polizisten ein Zeichen, der daraufhin meinen Beutel auf einer Bank ausleerte. Als das kabbalistische Tuch, die Rührstäbe mit den seltsamen Figuren und die runde Glasvase ausgepackt waren, konnte Desgrez nicht widerstehen, sie in die Hand zu nehmen und zu betrachten. Dann reichte der Polizist ihm die grüne Flasche und das Dosiergläschen.
»Gift?« fragte Desgrez La Reynie.
»Gebt mir die Flasche«, verlangte der Polizeipräfekt. Er entkorkte die Flasche, hielt sie sich an die Nase, und ein seltsames kleines Lächeln huschte über sein Gesicht. Unterdessen zitterte ich unbeherrscht.
»Kein Gift, Desgrez. Madame ist opiumsüchtig. Seht nur, wie begierig sie die präzise Dosis einschenkt. Das macht uns unsere Arbeit um so leichter.« La Reynies Stimme war ruhig, sein dünnes Lächeln ironisch. Jetzt hat er dich in der Hand, dachte ich. Aber das Zittern verging, der Schmerz ließ nach, ich hatte mich wieder in der
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