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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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das tausend Écus kostet.«
    Sie schien bereits eine Menge zu wissen. Daher antwortete ich: »Ich werde mich mit Wahrsagerei befassen. Ich kann Wasser lesen.«
    Ihr Gelächter schallte durch die Werkstatt, und der Lehrling, ein häßlicher Jüngling mit schlimmen Pockennarben, blickte auf. »Ausgerechnet du, die du nicht einmal daran glaubst«, sagte sie und sah mich grüblerisch an. »Das kleine Mädchen, das mir in die Augen blickte und sagte, alle Wahrsagerei sei falsch. Das ist ein toller Scherz – auf unser aller Kosten.« Sie trat nahe zu mir, legte ihren Arm um mich und sprach sehr leise, damit der Lehrling es nicht hören konnte. »Laß mich vertraulich mit dir reden«, sagte sie. »Du hast ein sehr seltenes Talent. Ich habe keine Ahnung, wie sie es erkannt hat, da ich es doch bin, die dich am häufigsten sah. Ich habe dich aufwachsen sehen.« Ihr Ton wurde eindringlicher: »Hör zu, La Voisin ist sehr anspruchsvoll. Ehrgeizig. Sie handhabt die Dinge nicht auf die wahre, erprobte Art und Weise, und sie fordert das Schicksal heraus. Sie kann eine strenge Dienstherrin sein – sie nimmt zuviel von deinen Einkünften. Wenn du ihrer überdrüssig bist, und das wirst du irgendwann, dann denke an mich. Meine Herrin, La Bosse, handhabt die Dinge auf traditionelle Weise. Sie ist vorsichtig, bedachtsam. Deswegen wird sie zur Seite gedrängt. La Bosse besitzt die Weisheit des Alters. Sie ist nicht habgierig und eitel. Eines Tages wird die Königin zu weit gehen, und es wird eine neue Königin geben. An diesem Tag wäre es gut, mit La Bosse verbündet zu sein.« Sie hatte mich immer weiter von dem Lehrling fortgezogen, näher ans Feuer. Die Flammen fleckten die schwarzen Kaminböcke mit tanzenden orangegelben Lichtern. »Merke dir«, flüsterte sie, »dies ist unser kleines Geheimnis. Ein kluges Mädchen wie du sollte sich mehrere Möglichkeiten offenhalten. Lerne dein Handwerk und schweige. Wenn du eine von uns bist, denke daran, La Bosse hat Ideale und denkt nicht nur ans Portemonnaie.«
    Ich hatte vieles zu bedenken, während man mir Maß nahm und Stoffe zur Begutachtung vorlegte. Selbst die Skizze des altmodischen Kleides mit seiner spanischen Krinoline und der kleinen Halskrause lenkte mich kaum von meinen sorgenvollen Gedanken ab.

    Wenn man der Logik gegenübersteht, muß man die Sphäre der Logik erweitern, um die Regeln der Logik auf das anzuwenden, was nicht logisch ist. Dies ist die einzige Möglichkeit in einer Welt, die nach den Regeln der Vernunft funktioniert.

    »So, nun sieh in den Spiegel. Wie gefällst du dir?« La Voisins Stimme klang vergnügt, überschwenglich. Es war am Nachmittag des Heiligen Abends. Die verlockenden Düfte aus der Küche trieben mich zum Wahnsinn, denn wir hatten unser Fasten zur Vorbereitung auf die Kommunion in der Mitternachtsmesse begonnen. In jenen korrupten Zeiten, als Wüstlinge nur auf dem Totenbett beichteten und Soldaten und Freidenker fast nie, waren die Hexen von Paris fromme Kirchgängerinnen. Nur der König und sein Gefolge taten es ihnen in dieser Beziehung gleich. Auch am Hof war man der Heiligen Schrift unkundig und glaubte mehr an den Teufel als an Gott. Doch da es ohne Gott keinen Teufel gibt, zollten die Hexen dem »Wesen dort droben« regelmäßig seinen Tribut, während sie im Hinblick auf ihren Lebensunterhalt auf das »Wesen dort drunten« setzten.
    Wir hatten alle schon bei Pater Davot von der kleinen Kirche Bonne Nouvelle an der Ecke Rue Beauregard und Rue Bonne Nouvelle gebeichtet. Später würde sich der wackere Herr zu uns gesellen, wenn wir nach der Christmette über die köstlichen Speisen herfielen. Inzwischen war mein neues Kleid geliefert worden. Zeitweise hatten drei Gehilfinnen und eine der bekanntesten Stickerinnen der Stadt daran gearbeitet. So war mir nach allem doch noch weihnachtlich zumute.
    »Nicht übel, wirklich nicht übel«, befand La Trianon, als ich vor dem rechteckigen Spiegel im Schlafgemach stand. Der Spiegel hatte einen Rahmen wie ein Bild, und ich entstieg dem Helldunkel wie das Porträt der Witwe eines Edelmannes aus vergangener Zeit. Ich war ganz in Schwarz gekleidet; das Gewand hatte einen Samtbesatz und war über und über mit schwarzem Seidengarn und Jettperlen bestickt. Unter der kleinen gestärkten Halskrause hob sich ein schweres silbernes Kruzifix – nur geliehen, bis ich mir den Erwerb eines eigenen leisten könnte – von dem schwarzen Untergrund ab. Mein Haar war nach einem Porträt von Maria de Medici frisiert.

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