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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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einen Freund von ihm. Ein Protégé der Herzogin de Bouillon. Er erzählte mir, mein Sohn sei wegen des Verfassens eines aufwieglerischen Buches unter dem Pseudonym Cato angeklagt! Das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich. Er ist wie ich – er würde sich niemals schämen, seine Meinung unter seinem richtigen Namen kundzutun! Ein d'Urbec versteckt sich nicht im Schatten, um der Verruchtheit zu trotzen! Oh, früher hätte mein Vater –« Hier brach der Mann abrupt ab, als habe er plötzlich erkannt, daß es in seinem Fall nicht dienlich sei, sich über das rebellische Chaos auszulassen, das seine Familie einst angerichtet hatte. Niemand mußte daran erinnert werden, daß eine Steuerrevolte in der Luft lag; der König hatte bereits einen Teil seines Heeres von seinem Krieg mit Holland abziehen müssen, um die Rebellion in der Bretagne niederzuschlagen.
    »Es liegt bestimmt eine Verwechslung vor«, fuhr der alte Mann fort. »Aber mir wurde klar, solange ich den wahren ›Cato‹ nicht finde, kann ich keine Beweise erbringen. Die Justiz arbeitet geschwind in Paris. Das Verhör hat schon stattgefunden. Ich ging jeden Tag zum Châtelet. Am Ende entdeckte ich, daß er lebenslänglich auf die Galeeren geschickt wurde. Ungeheuerlich! Ungeheuerlich! Ein Fehlurteil! Nur der König kann diesen furchtbaren Irrtum berichtigen! Mit jedem Tag verschlimmert sich die Lage meines Sohnes. Die Gefangenen sollen bald nach Marseille aufbrechen. Wie viele werden den Marsch an der Kette überleben? Wie viele werden die Ruderbank überleben? Ich habe Geschäfte in Marseille betrieben, Madame, und ich habe gesehen, was aus Galeerensträflingen wird. Ein Student der Jurisprudenz? Er überlebt es vielleicht nicht. Ein robuster Vagabund oder ein Straßenräuber – sie sind die Starken in jener Welt; sie bilden Bündnisse auf Kosten der anderen Gefangenen. Ihr müßt mir helfen, Madame. Wenn ich nur Duc de Vivonne sprechen könnte. Er ist Marschall von Frankreich, er könnte sich dem König nähern, er könnte meine Petition durch seine Schwester, die Marquise de Montespan, überreichen lassen, deren Einfluß grenzenlos ist. Oder er könnte selbst handeln, im Namen der Barmherzigkeit, im Namen der Gerechtigkeit, ist er doch der Generaladmiral der Galeeren.«
    »Ihr seid sehr weltfremd, Monsieur, wenn Ihr glaubt, daß Gerechtigkeit ohne Geld zu erlangen ist.« Ich sah mir seine Bittschrift an. Sie würde keinen Richter rühren, der das Beweisstück gesehen hatte. Was war ihnen in die Hände gefallen, als sie sein Zimmer durchsuchten? Was hatten sie bei Griffon gefunden, oder bei Lamotte?
    »Welches ist der Beweis, der Euren Sohn mit dem anstößigen Werk verknüpft?«
    »Es gibt keinen, Madame. Das weiß ich bestimmt. Ich habe einen Gerichtsschreiber bestochen. Sie hatten nichts als das Buch selbst, das auf Befehl des Polizeipräfekten, eines Burschen namens La Reynie, verboten wurde, und eine Denunziation von einem bezahlten Informanten, der in Kaschemmen verkehrt. Der Informant ist als unzuverlässig bekannt, und sogar der zuständige Richter zweifelte an seinem Wort, wie der Schreiber mich wissen ließ. Aber sie mußten den Fall abschließen, und so wurde mein Sohn verurteilt! Gäbe es einen wirklichen Beweis – so hätte man ihn bei lebendigem Leibe mit dem Buch verbrannt, nachdem man ihm die rechte Hand abgehackt und sie zuerst ins Feuer geworfen hätte. Das Werk, wie ich höre, hätte dies verdient – ein verräterisches Elaborat, das ungleiche Besteuerung verurteilt und den Sturz des Staates wegen fiskalischer Korruption voraussagt – nein, natürlich habe ich es nicht gelesen«, fügte er, sich ängstlich umschauend, hinzu. Dann sah er mich mit sorgenvoller Miene an und fuhr fort: »Dieser Lamotte sagt, daß es ihm einmal gelungen ist, ihn im Kerker zu besuchen. Mein Sohn hat kein Geständnis abgelegt. Und Lamotte schwört, daß sie kein einziges Exemplar, keine Notizen, nichts in seinem Besitz gefunden haben. Damit ist mein Fall bewiesen. Es liegt eine Verwechslung vor!«
    »Kein Geständnis? Dann besteht vielleicht Hoffnung. Führt Eure Petition fort, Monsieur d'Urbec. Ich habe eine Idee, der ich nachgehen werde. Und mein Vorschlag ist, bezieht an der Verbindungsstelle der königlichen Gemächer mit der Salle des Gardes Posten, denn die Salle des Gardes ist breit und lang, und die Menge um den König wird sich etwas zerstreuen, so daß es Euch möglich sein wird, Euch ihm dort zu nähern.«
    »Eine vortreffliche Idee! Meinen Dank,

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