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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Und ein Lakai – ja, den wirst du brauchen, und ich kann dir gewiß einen vorzüglichen besorgen. Oh, du bist schon soweit, einen Schritt nach oben zu tun! Ich hatte ein Jahr warten wollen, aber du bist so talentiert! Und Ostern ist beinahe wie der Beginn eines neuen Jahres. So, und nun wirst du deinen Aufstieg mit uns feiern und dein Mittagsmahl hier einnehmen.«
    Etwas an ihrem Gehabe machte mich schaudern. Ich habe sie gekränkt, dachte ich. Sie ist erbost. Ich werde dieses Stadthaus nie erleben. Es ist eine List. Mittagsmahl hat sie gesagt. Mein Gott, war ich nicht gewarnt? Warum mußte ich mit meinem Wissen herausplatzen wie eine Idiotin? Ein, zwei Jahre, und ich wäre frei gewesen. Und jetzt das Mittagsmahl. Kalter Schweiß brach auf meinen Schläfen aus, als ich erwiderte: »O ja, laßt uns feiern.« Gemach, gemach. Lächeln und nicht zeigen, daß du etwas gemerkt hast, Geneviève. Vielleicht geht es vorüber. Vielleicht vergißt sie, was ich gesagt habe, und ihr Zorn schwindet.
    Unterdessen trafen die Gäste ein. Lärmend drängten sie sich im kleinen Empfangssalon und im angrenzenden Speisezimmer. Le Sage, der Magier in seinem grauen Umhang, die Arzneikundigen La Trianon und La Dodée in strahlend neuen Kleidern, alle Nähte reich mit Bändern besetzt. La Lepère mit einem Frühjahrsschnupfen, jammernd und sich schneuzend, der Abbé Mariette, ein elegant gekleideter Priester der Erlauchten, La Pelletier ganz in schillerndem Taft, violett wie die Bezüge der Liebesduftkissen, La Débraye, La Delaporte, La Deslauriers, die Hexen, und ferner: Herren und Damen, Priester, Kaufleute, nouvellistes, Diabolisten, Alchimisten und Titelträger dubioser Herkunft. Zuletzt wurde ein gebeugter, mit einer Soutane angetaner alter Mann von lasterhaftem Aussehen hereingeführt, dessen geschwollene Nase von purpurroten Adern überzogen war. Er war in Begleitung seiner Geliebten, einer Frau mit faltigem Gesicht und eingesunkenen Augen. Das war der Abbé Guibourg. Bei seinem Anblick wichen die Leute in den überfüllten Räumen zurück, als habe ein mysteriöser kalter Wind sie gestreift.
    »Ist Madame Brunet schon bei Euch gewesen?« fragte La Pelletier lachend, »sie will Philibert, den Flötenspieler, um jeden Preis haben!«
    »Er ist in dieser Stadt sehr begehrt – ich habe zwei Klientinnen, die ebenfalls nach ihm schmachten. Ich nehme an, wir haben allen dreien dieselbe poudre d'amour verkauft. Oh, einer wird es Glück bringen, somit gebührt uns allen ein Teil der Ehre«, sagte La Trianon kichernd.
    »Ja, oder aber mein Pulver erweist sich entschieden als das wirksamste«, versetzte La Pelletier mit routinierter Ruhe.
    »Solange Ihr Euch so stark auf Essenzen aus Hahnenhoden verlaßt, dürft Ihr nicht damit rechnen«, meinte La Trianon herablassend.
    »Aber meine Liebe, er hätte eine gläserne Maske tragen müssen – kein Wunder, daß er erstickt ist – die Prozedur erzeugt so viele Dämpfe –«, hörte ich eine Stimme vom anderen Ende des Raumes.
    »Sie macht gute Geschäfte mit poudres de succession, aber nicht lange, denke ich. Sie ist unachtsam. Und so vulgär –« Die Worte, die durch meinen Kopf schwirrten, ergaben wenig Sinn, indes meine Todesangst zunahm.
    »La Bosse läßt sehr nach, wißt Ihr, sie sollte sich wirklich zur Ruhe setzen –«
    » – das alles zeigt nur, daß Strategie alles ist, meine Liebe.
    Alles –« Ich fuhr zusammen, als ich merkte, daß La Trianon zu mir sprach.
    »O ja, o ja, zweifelsohne. Es ist sehr klug«, erwiderte ich und hoffte, daß es vernünftig klang. Meine Stimme war dünn vor Furcht, und ich war überzeugt, daß alle im Raum mein Herzklopfen hören konnten.
    Die Suppe war klar. Sie mußte einwandfrei sein. Margot brachte sie aus der Küche herein und teilte sie aus einer großen Terrine auf dem Buffet aus. Sie war ihrer Gebieterin sehr ergeben. Sah ich ihre Hand einen Moment über einer Suppenschale verweilen?
    »Eßt Eure Suppe, meine Liebe, Ihr seht blaß aus. Suppe ist gut gegen Blässe«, bemerkte meine Gastgeberin. Ja, gut dagegen. Löscht sie gänzlich aus, zusammen mit jeglichen anderen Gebrechen, die du vielleicht hast. Ich nahm einen Löffelvoll.
    »Delikat«, sagte ich. Mein Geschmackssinn war ungewöhnlich geschärft. War das ein metallischer Nachgeschmack? War es Salz?
    Das erste Ragout kam fertig angerichtet aus der Küche. Pochiertes Kaninchen in Weinsauce. Zwiebeln. Und – ich konnte sie sehen – Pilze. War nicht ein römischer Kaiser mit einem Pilz

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