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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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daß er bei mir versagte? Ihr seid es, Ihr, der mich betrogen hat, wieder und wieder – und ich komme zurück und flehe, wieder betrogen zu werden. Ist das keine Liebe? Liebe, die an Blindheit grenzt? Erzürnt mich nicht, oder Ihr werdet es mir teuer bezahlen.« Ich hörte das Scharren eines Stuhles und Schritte.
    »Nun gut, wenn Ihr so gering von mir denkt, will ich ihn Euch bringen. Aber erwartet von meinen Helfern kein Entgegenkommen bei Euren – kleinen Lieferungen.«
    »Es gibt noch mehr Alchimisten in dieser Stadt – ich brauche Euch nicht, Ihr, Ihr – Versager.« Mein Kopf war noch verschwommen. Die Wände wurden grau und wichen zurück.
    Ich erwachte im Dunkeln. Ein Kandelaber am anderen Ende des Zimmers verbreitete ein mattes Licht, das nicht in die dunklen Ecken reichte. Vom Ofen hinter dem Wandbehang kam der Geruch nach etwas Fauligem, das verbrannt wurde. Auf dem Tisch unter dem Kandelaber lag ein aufgeschlagenes grimoire, das Zauberbuch der Hexen.
    »Nun, rührst du dich endlich? Nie habe ich einen betrunkeneren Menschen gesehen. Du dachtest, ich würde dich vergiften, wie? Keine Bange, sollte ich eines Tages beschließen, dich mit Gift zu beseitigen, wirst du es nicht merken.« La Voisin trug ein düsteres schwarzes Gewand, das ich noch nie gesehen hatte. Sie saß neben den Kerzen, und das Licht flackerte über ihr Gesicht. Ihre ebenmäßigen Züge unter ihren dunklen geringelten Haaren waren von erschreckender Schönheit.
    »Du bist dazu bestimmt, mir ein Vermögen einzubringen. Ich vernichte keine Vermögensquellen«, sagte sie und verschränkte die Hände im Schoß. »Später werden wir Freundinnen sein. Nur Frauen können befreundet sein. Wir wissen einander zu helfen. Wenn ein Mann und eine Frau befreundet sind, nutzt der Mann die Frau stets aus. Sie muß seinen Stolz nähren, sein Portemonnaie. Nicht so bei uns, wie? Wir, die wir nichts haben, müssen uns gegenseitig aufrichten. Aber auch nur Frauen können Feindschaft pflegen. Die Männer denken, eine Frau lohnt die Mühe nicht. Und das ist ihre schwache Stelle. So herrschen wir über die Welt der Männer, wir Hexen. Durch ihren wunden Punkt. Hast du noch Kopfweh?«
    Die dünnen Rauchkringel über den Kerzen stiegen in die unheimliche Dunkelheit unter der Zimmerdecke auf. Ich fühlte mich unsagbar elend.
    »Mir ist, als würde ich sterben.«
    »Gut. Das wird dich lehren, in Gesellschaft nicht zuviel zu trinken. Wie hättest du denn jemals die Geistesgegenwart gehabt, das Gegengift zu nehmen, wenn du tatsächlich vergiftet worden wärst? Sogar eine Katze hat soviel Verstand, aus dem Regen ins Haus zu kommen.« Bei seiner Erwähnung sprang der graue Kater, die größte ihrer Katzen, auf ihren Schoß. »Du bist noch nicht soweit«, glaubte ich sie sagen zu hören. Das letzte, woran ich mich erinnere, war das grummelnde Auf und Ab des Katzenschnurrens.

    Am nächsten Morgen erwachte ich auf einer Bettstatt in der niedrigen grauen Kammer unter dem Dachfirst, wo das Gesinde untergebracht war. Sylvie rüttelte mich.
    »Wacht auf, wacht auf! Die Neuigkeit hat ganz Paris entflammt. Und Ihr habt es vorausgesagt. Ihr seid berühmt! Wir haben heute drei Verabredungen in der Stadt, und am Hof noch mehr! Oh, es gibt jetzt Dutzende von hoffnungsvollen Damen, alle von höchstem Stand. Was die bezahlen werden! Beratungen mit Euch, Pulver von Madame. Wir werden alle reich!«
    »Schrei nicht so. Mein Kopf zerspringt. Was ist das für eine Neuigkeit?«
    »Warum wißt Ihr es nicht, da Ihr es doch selbst vorausgesagt habt? Madame de Montespan, der König hat sie vom Hofe geschickt. Sie ist hier in Paris und leckt ihre Wunden, während ihre Rivalinnen die Krallen schärfen!«
    Ich setzte mich stöhnend auf. Mein Kopf mußte jeden Augenblick platzen. »Wie – was?« gelang es mir zu murmeln.
    »Oh, es war erstaunlich. Père Bossuet hat an Ostern des Königs Sünden mit Madame de Montespan auf der Kanzel angeprangert. Er hatte dem König die Kommunion verweigert, just am Abend vor dem Aufbruch an die Front in Flandern. Der König kann nicht ohne Beichte und Absolution in die Schlacht ziehen. Es heißt, er bat um eine vorübergehende Trennung, wie schon einmal, um die Kommunion empfangen zu können. Aber das war in den Tagen von Père Lachaise, der es lange nicht so genau nahm. Bossuet war unerbittlich. ›Gebt das Weib auf‹, sagte er, ›denn Ihr begeht doppelten Ehebruch, da sie ebenso vermählt ist wie Ihr.‹ Jetzt machen alle unvermählten Damen sich Hoffnung.

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