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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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dass Bjanas blaue Augen in ihr Innerstes blickten. Und diese Augen wollten ihr helfen.
    Als Erste erlangte Bjana das Bewusstsein zurück.
    Die Weiße Morjane rappelte sich mühsam vom Boden auf und zog benommen ihren verrutschten Rock zurecht. Von einem Basiliskenauge betäubte Morjanen kommen nur sehr langsam wieder zu sich. Bjanas Kopf fühlte sich an wie ein Klumpen Blei. Sie rieb sich die Schläfen, setzte ihre Brille auf und sah nach der rücklings am Boden liegenden Tapira.
    »Arme Schwester.«
    Ganz vorsichtig, um sie nicht aufzuwecken, legte sie die Schwarze Morjane auf die Pritsche. Dann tätschelte sie ihrer Begleiterin die Backen.
    »Jamana!«
    Diese öffnete dösig die Augen.
    »Wir müssen gehen.«
    »Und Tapira?«
    »Es ist besser, wenn sie nichts erfährt.«
    Die Weißen Morjanen verließen den Raum und sperrten ihn sorgfältig ab.
    »Wird sie von jemandem kontrolliert?« Jamana lehnte an der Wand und versuchte unbeholfen, das Basiliskenauge in ihrer Handtasche zu verstauen. Sie hatte noch einige Schwierigkeiten mit der Koordination.
    »Ja.« Bjana richtete ihre zerzauste Frisur. »Alles, was sie der Fate Krasawa erzählt hat, war gelogen. Sie wird benutzt. Und zwar von der Zauberin, die ihren Mann, den Kriegskommandeur le Sta, getötet hat.«
    »Hat nicht Santiago Bogdan getötet?«
    »Das ist eine lange Geschichte.« Bjana seufzte. »Entscheidend ist, dass diese Zauberin, Kara, den Armreif der Fate Mara besitzt.«
    »Sollen wir das der Königin melden?«
    Die ältere Morjane schüttelte den Kopf: »Dann krallt sich der Grüne Hof den Armreif und unsere schwarzen Schwestern werden endgültig versklavt.«
    »Sind sie denn nicht schon jetzt Sklavinnen?«
    »Das schon, aber dann wäre ihr Sklavendasein für immer besiegelt.«
    »Die Fate Mara hatte das für die Schwarzen Morjanen doch so vorgesehen.«
    »Ich kann nicht zulassen, dass Tapira als Sklavin missbraucht wird.« Bjana sah ihre Freundin eindringlich an. »Sie hat auch so schon genug durchgemacht. Wir nehmen Kara den Armreif ab und geben ihn den Schwarzen Morjanen, oder noch besser: Wir vernichten ihn. Alle Morjanen sollen in Freiheit leben!«
    »Und wie finden wir diese Kara?«
    »Bogdan le Sta wusste, wo sie wohnt, und hat es Tapira erzählt.« Bjana zog ihre Jacke zurecht und ihre blauen Augen funkelten wild entschlossen. »Wir werden diese Kanaille töten!«
     
    Waldklause
Moskauer Umland
Samstag, 30. September, 13:59 Uhr
     
    Bis zum nächsten Dorf waren es fünf Kilometer, bis zum nächsten Sumpf nur vierhundert Meter. Die verwitterten Gebäude der Waldklause standen auf einer kleinen, von dichtem Wald umschlossenen Lichtung. Unter den wenigen, niedrigen Holzhäuschen ragten nur ein großer Vorratsschuppen und eine kleine Kapelle heraus. Das Ensemble bot ein pastorales Bild entrückter Einsamkeit und inneren Friedens.
    Das Erscheinungsbild der Waldklause hatte sich in Jahrhunderten nicht verändert und die verheerenden Stürme der Geschichte waren nahezu spurlos an der abgelegenen Einsiedelei vorbeigegangen. Wer auch immer in diese Ländereien vordrang, seien es Polen, Franzosen oder Deutsche, niemand behelligte die bescheidenen Eremiten. Entweder man fand sie nicht in den Tiefen des Waldes oder man hielt bewusst Abstand, weil man davon gehört hatte, zu welchen Wunderdingen die Mönche imstande waren. Selbst die Kommunisten, denen ansonsten nichts heilig war, ließen die Waldklause in Ruhe, nachdem einige ihrer Banden in den umliegenden Sümpfen unter mysteriösen Umständen verschwunden waren.
    Santiago trat auf die Lichtung hinaus, wischte sich angewidert die Überreste eines Spinnennetzes vom Sakko und blickte verdrießlich auf den schmutzigen Erdweg, der zum Tor der Waldklause führte.
    »Wollen Sie zum Prior?«, erkundigte sich ein alter Mann mit sorgfältig gestutztem Bart, der unter einem Baum auf einer Bank saß. »Seien Sie gegrüßt.«
    »Guten Tag«, erwiderte der Kommissar höflich und bestätigte: »Zum Prior.«
    »Dann müssen Sie sich aber beeilen«, mahnte der Mann. »Der Prior ist krank. Den nächsten Winter wird er wohl nicht mehr erleben.«
    »Deswegen komme ich ja«, erwiderte Santiago zerstreut, während er mit sorgenvoller Miene abwechselnd auf seine piekfeinen Schuhe und den von Schlammlöchern durchsetzten Weg blickte und überlegte, was wohl einfacher sei: ein Expressportal bis zum Tor zu legen oder diesem freundlichen Mann seine Gummistiefel abzunehmen.
    »Ein solcher Anzug ist nicht eben praktisch im Wald«,

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