Die Hexe
uns – auf mich, genauer gesagt. Glücklicherweise weiß der größte Teil der Ritter noch nichts von dem Manuskript, das in Bogdans Wohnung gefunden wurde.«
»Von deinem Manuskript mit den Regeln eines verbotenen Zaubers«, präzisierte der Fürst.
»Völlig richtig – von meinem Manuskript«, pflichtete Santiago bei. »Franz de Geer hat mir gütigerweise einen Monat Zeit eingeräumt, um zu beweisen, dass nicht ich es war, der Bogdan Zugang zu dem Manuskript verschafft hat. Wenn die Tschuden wüssten, dass man mich der Verbreitung verbotener Zauber beschuldigt, würde die Garde des Großmagisters vermutlich längst die Zitadelle belagern.«
»Der Urheber der Intrige um Bogdan hat gewiss kein Interesse daran, dass du in aller Ruhe deine Unschuld beweist. Ich fürchte, er wird dir keinen Monat Zeit lassen. «
»Das sehe ich genauso.« Der Kommissar pustete eine nicht vorhandene Fussel von seinem Sakko. »Meiner Einschätzung nach wird die Sache mit dem Manuskript schon in wenigen Tagen herauskommen. Der Vorwurf, ich hätte den Kriegskommandeur le Sta bewusst dazu provoziert, einen verbotenen Zauber zu wirken, liegt dann auf der Hand. Man wird mich der Verbreitung verbotener Zauber beschuldigen und mir darüber hinaus eine gezielte Kriegshandlung gegen das Herrscherhaus Tschud zur Last legen.«
»Wenn du herausfändest, wer die Information über das Manuskript in der Öffentlichkeit streut, wüsstest du vermutlich, wer unser Gegenspieler ist.«
»Die Betonung liegt auf wenn «, entgegnete Santiago. »Es dürfte äußerst schwer werden, diesem gerissenen Intriganten auf die Schliche zu kommen.«
Abermals wippte die Kapuze unzufrieden hin und her.
»Du stehst kurz davor, in die Schusslinie des gesamten Ordens zu geraten und weißt noch nicht einmal, wem du das zu verdanken hast. Wer hat dich und Bogdan le Sta aufs Korn genommen? Könnte es sein, dass du das eigentliche Ziel der Aktion bist?«
»Das wäre zu viel der Ehre.« Santiago schüttelte den Kopf. »Der ganze Aufwand wegen eines kleinen Lichts wie mir?«
»Keine falsche Bescheidenheit, Santiago«, erwiderte der Fürst. »Du bist eine der einflussreichsten Figuren der Verborgenen Stadt. Und vergiss nicht: Die meisten Tschuden und Luden sind dir in innigem Hass verbunden – viele von ihnen nicht ohne Grund. Es wäre kein Wunder, wenn einer von ihnen sich in den Kopf gesetzt hätte, eine alte Rechnung mit dir zu begleichen. Wer nach Rache dürstet, scheut keinen Aufwand und ist in der Wahl seiner Mittel nicht zimperlich.«
»Ein Racheakt?« Santiago zog die Schultern hoch. »Gut möglich. Doch bislang sehe ich nicht, wer dahinterstecken könnte. Der Orden? Franz de Geer wusste bis zum letzten Moment nicht, was Bogdan le Sta vorhat.«
»Meinst du?«
»Ich bin davon überzeugt.«
»Und die anderen Führer des Herrscherhauses Tschud?«
»Ich glaube kaum, dass einer von ihnen sich getraut hätte, Franz de Geers engen Freund Bogdan in die Falle zu locken. Nur ein Lebensmüder würde sich den Kriegsmeister zum Feind machen.«
»Jemand aus dem Grünen Hof?«
»Das Klima zwischen uns und den Luden hat sich in letzter Zeit eher verbessert. Königin Wseslawa hat mir den kleinen Dienst nicht vergessen, den ich ihr bei der Geschichte mit dem Boten erwiesen habe.«
»Vielleicht eine von den Priesterinnen? Eine heimliche Anhängerin von Jaroslawa, die dank deiner aktiven Mithilfe frühzeitig im Jenseits gelandet ist?«
»Die Priesterinnen haben doch von meiner Intervention profitiert: Sie haben ihren Einfluss behalten.« Santiago grinste breit. »Außerdem war Jaroslawa ohnehin nicht sonderlich beliebt.«
»Was ist mit den Assuren?«
Die Assuren hatten die erste Zivilisation auf der Erde gegründet und waren vor vielen Jahrtausenden von den Nawen ausgelöscht worden, doch Gerüchten zufolge trieben sich immer noch Angehörige dieses Volks in der Verborgenen Stadt herum.
»Die Assuren – das ist terra incognita.« Santiago breitete die Arme aus. »Reine Kaffeesatzleserei.«
»Terra incognita …« Der Fürst rümpfte die Nase unter der Kapuze. »Du solltest deine Sprache nicht mit solchen Humo-Sprüchen verhunzen. Ein anständiger Naw hätte stattdessen gesagt: Da könnte man gleich Schwarze Löcher im Sternbild des Weinenden Delfins zählen.«
»Und ich hatte gedacht, dass Sie das Laster der Pedanterie auf mich abgewälzt hätten«, konterte der Kommissar mit hochgezogenen Augenbrauen.
Aus der Kapuze drang ein leiser Seufzer.
»Was gedenkst du nun zu
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