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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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16 :20 Uhr
     
    »Ich würde gern diesen Scheck einlösen.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte die Angestellte am Schalter mit einem routinierten Lächeln. »Haben Sie auch nicht vergessen zu unterschreiben?«
    Den weißhaarigen alten Mann kannte sie schon lang. Er kam einmal im Monat, um seine kleine Rente abzuholen, und vergaß regelmäßig, zu unterschreiben.
    »Diesmal nicht, Marinotschka«, triumphierte der Greis. »Diesmal habe ich alles richtig gemacht.«
    »Na wunderbar.« Die junge Frau nahm den Scheck entgegen und tippte wie immer die Daten in ihren Computer.
    Im kühlen Schalterraum der Bank herrschte wenig Betrieb. Außer dem alten Rentner standen nur fünf oder sechs andere Kunden an den Schaltern und am Eingang ein schläfriger Polizist. Im Zeitalter von Online-Banking und Plastikkarten waren Bankbesuche fast zu einem Anachronismus geworden und Schlangen an den Schaltern gehörten längst der Vergangenheit an.
    »Wir haben übrigens eine neue Edition Sammlermünzen hereinbekommen«, verkündete Marina. »Sie interessieren sich doch dafür?«
    »Oh ja, sehr«, bestätigte der Rentner und seine alten Augen begannen zu glänzen. »Wären Sie so nett, mir die Münzen zu zeigen? Na hoffentlich kann ich meine Frau überreden …«
     
    »Gibt’s noch Fragen?«
    »Nein.«
    »Irgendwelche Bedenken?«
    »Null Bedenken«, entgegnete Inga flapsig. »Fangen wir endlich an.«
    »Keine Sorge, wir fangen schon rechtzeitig an.«
    Mohammed inspizierte noch einmal seine Truppe. Gleb fuhr ununterbrochen mit der Zunge über seine dicken Lippen und klammerte sich mit schwitzigen Händen an seine kurze Kalaschnikow. Der Dicke hatte immer heftiges Lampenfieber vor einem Einsatz, doch wenn es dann zur Sache ging, wurde er ruhiger und man konnte auf ihn zählen – davon hatte sich Mohammed schon mehrfach überzeugt. Der Schwarze gab ihm einen Klaps auf den Rücken und wandte sich den Zwillingen zu.
    Wanja und Wassja reckten synchron den Daumen nach oben. Die beiden kannten keine Nervosität, weder vor noch während noch nach einer Aktion. Die Wackelkandidaten waren die letzten beiden: der pickelgesichtige Mischa, der aufgeregt an seiner schusssicheren Weste herumzupfte, und die völlig überdrehte Inga. Mohammed kontrollierte die Ausrüstung des jungen Zauberers, legte ihm aufmunternd die Pranke auf die Schulter und wandte sich dann Inga zu, die wie ein Rennpferd vor dem Start auf der Stelle trat.
    »Keine Mätzchen!«
    »Mach dir nicht ins Hemd, Alter«, giftete Inga und drückte demonstrativ eine Kaugummiblase aus ihrem Schmollmund.
    Die rosa Blase platzte geräuschvoll und die riesigen Augen des Schwarzen rollten zornig aus ihren Höhlen. Doch Mohammed beherrschte sich. Die bevorstehende Operation sollte vor allem für Aufsehen sorgen und dafür konnte er die hemmungslose Göre gut brauchen.
    »Die Aktion ist auf die Minute genau durchgeplant, wir dürfen auf keinen Fall länger brauchen«, dozierte Mohammed mit einem strengen Seitenblick auf Inga. »Es geht uns nicht um die Beute, sondern um den Showeffekt. Und das Wichtigste: Wir müssen da alle wieder rauskommen. Ist das klar?«
    »Ja.«
    »Und kein falsches Heldentum.«
    Mohammed rückte sein rotes Kopftuch zurecht, lud seine Flinte durch und aktivierte das Portal.
     
    »Was ist das denn?«
    Marina schaute aus dem Schalterfenster und traute ihren Augen nicht. Mitten im Raum drehte sich ein schwarzer Wirbel, der allmählich größer wurde.
    »Vielleicht ist die Lüftung kaputt«, mutmaßte der Rentner und sah Marina schulterzuckend an.
    Als der alte Mann sich jedoch abermals nach dem Wirbel umdrehte, riss er entgeistert die Augen auf und griff mechanisch nach seinen Baldriantropfen. Der mysteriösen, rotierenden Wolke entstieg eine schwarz gekleidete Gestalt, die eine Schrotflinte in der Hand hielt.
    »Das ist ein Überfall! Alle auf den Boden!«
    Die Leute waren so perplex, dass sie im ersten Moment überhaupt nicht reagierten. Mohammed half mit einem krachenden Schuss nach. Die Kunden, die Angestellten, der Polizist – alle warfen sich auf den Boden. Beim zweiten und beim dritten Schuss kniffen sie die Augen zusammen und drückten den Kopf gegen den Boden.
    »Schön liegen bleiben!«
    Die Alarmanlage heulte los, auf die am Boden Liegenden regnete Putz herab und aus dem Wirbel sprangen neue Gestalten heraus.
    Mohammed war zufrieden. Selbst der nervöse Mischa und die ungestüme Inga agierten exakt nach Plan.
    Mit katzenhafter Leichtigkeit, die in krassem Gegensatz

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