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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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verstehe ich noch immer nicht«, brummte sie. »Ein königlicher Auftrag, der bis Mittsommer erfüllt sein muss oder der magische Strom bricht zusammen … wieso springt ihr durch das Tor nicht einfach weiter zurück, wenn die Zeit so eine große Rolle spielt? Nur ein paar Tage. Oder zwei Wochen. Dann habt ihr alle Zeit der Welt.«
    »Das geht nicht«, erklärte Ravenna. »Offenbar sind die Tore gleich getaktet. Als ich ins Jahr 1253 kam, war dort der gleiche Tag wie hier. Und während ich auf dem Hexenberg war, ist die Zeit hier wie dort genau gleich schnell vergangen. Es sind magische Tore. Und es ist eine magische Zeit.«
    In diesem Augenblick schlug der Blitz ganz in der Nähe ein. Zumindest hörte es sich so an, denn es krachte entsetzlich laut und vom Donner vibrierte der Boden. Lucian starrte mit gerunzelter Stirn durch die Fenster, die den Saal von allen Seiten umgaben. Regenwasser lief über die getönten Scheiben.
    »Wir sollten uns beeilen«, riet er. »Dieses Wetter gefällt mir nicht. Seht Ihr, dass sich der Sturm genau über diesem Gebäude zusammenzieht? Als hätte hier jemand einen Bezoar versteckt.«
    »Keine Sorge, die Bibliothek hat einen Blitzableiter«, beruhigte Ravenna ihn. Sie warf einen Blick auf ihre Schwester. »Es gibt doch einen Blitzableiter und eine Nottreppe, falls der Strom ausfällt, oder?«
    »Drei Millionen wertvolle Bücher. Und ob es einen Blitzableiter gibt!«, meinte Yvonne. »Kommt mit! Ich habe da eine Idee.« Sie trat zu einem Tresen, auf dem ein Computer stand. Sie schaltete das Gerät ein, rief eine bestimmte Seite auf und begann, Begriffe in die Suchmaske einzugeben. »Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Münzsammlung der Bibliothek digitalisiert«, erklärte sie. » Münzen und Medaillen aus dem Elsass heißt dieser Katalog. Vielleicht ist etwas dabei. Mal sehen … Siegel des Sommers.« Sie tippte die Worte in die Suchmaske, aber sie ergaben keinen Treffer. Nachdenklich knetete Yvonne ihr Ohrläppchen. »Wie könnte es so noch heißen? Sommersiegel? Das Siegel des Feuers? «
    »Das Siegel von Litha«, schlug Ravenna vor. »Die Speichen stellen die Hexenfeste dar. Genau dieselben übrigens, die du mit deinen Freundinnen feierst.«
    Yvonne schwieg. Verbissen tippte sie den Begriff in den Computer. Während sie suchte, sah Lucian sich ehrfürchtig in dem Labyrinth aus Regalen um. »Drei Millionen Bücher gibt es in Eurer Welt?«, staunte er. »Man muss wirklich ein Magier sein, um das alles zu lesen.«
    Ravenna lachte. »Nein, es gibt bestimmt noch tausendmal mehr Bücher! Ein Leben reicht nicht aus, um alles zu lesen, was bisher geschrieben wurde, aber auf diese Weise geht das Wissen nicht verloren.«
    »So wie in diesem Computer«, rief Yvonne. »Schaut mal her, was ich gefunden habe.«
    Lucian drehte sich zum Bildschirm um und stieß einen überraschten Laut hervor. »Das ist es!«, rief er. »Das muss Melisendes Siegel sein.«
    Auf glänzendem rotem Stoff lag ein Ring aus Silber. Er war hell ausgeleuchtet, und Ravenna wusste so sicher wie Lucian, dass sie das richtige Siegel vor sich hatten. Es glich den Hexenringen, die sie im Blauen Saal gesehen hatte, in jeder Hinsicht. Der Rand trug eine Fülle von magischen Schriftzeichen. In der Mitte der Windrose, die mit Rubinen besetzt war, blühte eine Lotosblume aus Feuer.
    »Wo ist der Ring jetzt?«, fragte sie. »Steht das auch da?« Ihr Herz pochte vor Aufregung. Vor mehr als siebenhundert Jahren war dieses Stück gestohlen worden, und nun hatten sie es wiederentdeckt. Sie mussten nur noch den jetzigen Besitzer ausfindig machen – und einen Weg finden, ihm Melisendes Schatz abzunehmen.
    Wieder flogen Yvonnes Finger über die Tasten. »Es befindet sich seit langem in Privatbesitz«, las sie wenig später und beugte sich zum Bildschirm. »Es ist ein Familienerbstück aus einer traditionsreichen, elsässischen Familie. Bisher wurde es nur einmal für eine Ausstellung ausgeliehen. Daher haben wir das Foto.«
    »Eine traditionsreiche, elsässische Familie!« Ravenna schnaubte durch die Nase. »Dass ich nicht lache! Ich kann dir sagen, wie der Besitzer des Siegels heißt: Doktor Corvin Corbeau.«
    Yvonne zuckte zusammen. An ihrem Hals trat eine Sehne hervor, so angespannt war sie. »Nein, der rechtmäßige Inhaber hieß Samiel Fontainebleau. Zumindest war er zum Zeitpunkt der Ausstellung im Besitz des Siegels. Wie es scheint, ist das der Urgroßvater deines Therapeuten. Wieso kommst du überhaupt darauf, dass er etwas mit

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